BERLIN. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler, hat nach dem Vorratsdaten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Vorwurf zurückgewiesen, dadurch würden Sicherheitslücken entstehen. "Es gibt keine tabula rasa", sagte Stadler der Berliner Zeitung. "Bei schweren Straftaten können weiter auch Telefonverbindungsdaten zur Strafverfolgungszwecken ausgewertet werden". Als Beispiel nannte der FDP-Politiker die Daten, die Telekommunikationsanbietern für Abrechnungen vorliegen. "Auch vor der Vorratsdatenspeicherung existierte eine Terrorabwehr und sie war erfolgreich", unterstrich Stadler. Nicht zurückgreifen können Ermittler dagegen auf Internetverbindungsdaten, da diese infolge von Flatrates nicht für Abrechnungen gespeichert werden. Am Dienstag hatte das Gericht das von der großen Koalition verabschiedete Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt. Sämtliche Daten müssen gelöscht werden.
Befürchtungen, dass damit laufende Ermittlungsverfahren, in denen Daten aus der Vorratsspeicherung verwendet wurden, nun eingestellt werden müssten, teilte Stadler nicht. Zwar sei keine sichere Prognose möglich, wie Gerichte urteilen werden. Stadler verwies aber darauf, dass es unter Juristen die Tendenz gibt, Fernwirkungen von Verboten einer Beweisverwertung zu verneinen. So dürften dann zwar die erhobenen Daten nicht verwendet werden, wohl aber beispielsweise Aussagen von Zeugen, die aufgrund der Daten ermittelt worden sind. Forderungen nach einer schnellen gesetzlichen Neuregelung wies Stadler zurück. "Unser Haus ist nicht zu einem Schnellschuss bereit", sagte er. Der Gesetzgeber sei gut beraten, eine etwaige Neuregelung mit großer Sorgfalt vorzubereiten.
Zuvor hatten Unionspolitiker und die Polizei eine schnelle Neuregelung gefordert. Man könne jetzt "dieses Vakuum nicht über Monate offen lassen", sagte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) im Sender Phoenix. Wenn in Deutschland die Daten nicht gespeichert würden, "ist das eine Einladung an alle Straftäter, die mit Hilfe von Telekommunikationseinrichtungen Straftaten begehen wollen, nach Deutschland zu kommen."
Internetverband fürchtet Kosten
Der Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, betonte, wegen der Bedrohung durch Terrorismus und organisierte Kriminalität könne nicht jahrelang auf die Vorratsdatenspeicherung verzichtet werden. Der Vorsitzende der Gewerkschaft, der Polizei, Konrad Freiberg, warnte, dass unter Umständen tausende Straftaten nicht mehr aufgeklärt werden könnte.
Der Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, kritisierte die Forderungen. "Es wird fahrlässig Hysterie geschürt", sagte Schellenberg dieser Zeitung. Die Polizei erwecke den Eindruck, dass eine Strafverfolgung nur gegen die Verfassung möglich sei. "Die Polizei hat alle Ermittlungsinstrumente an der Hand, wenn konkrete Verdachtsmomente vorliegen", unterstrich der Jurist.
Unterdessen forderte die Internetwirtschaft eine Entschädigung von der Bundesregierung. Die Anbieter hätten allein für Anschaffungen der nötigen Speichertechnik rund 300 Millionen Euro investiert, teilte der Verband eco mit. Ein neues Gesetz würde die Kosten erheblich steigern. Ob sie mit der Forderung durchkommen, ist ungewiss. Das Bundesverfassungsgericht hat es in seinem Urteil jedenfalls für verfassungsgemäß angesehen, dass die Firmen die Kosten für neue Sicherheitstechnik selbst tragen.