Dr. Max Stadler Archiv Fragestunde


Fonds für Opfer rechtsextremer Gewallt

Fragen des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD):
In welchem Zeithorizont plant die Bundesregierung den bestehenden Fonds für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt auf der Grundlage ihrer strittigen Extremismusauffassung umzugestalten, und wird es in diesem Zusammenhang zu Budgetkürzungen speziell zulasten der Rechtsextremismusbekämpfung kommen?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Max Stadler:
Herr Kollege Lemme, es ist allgemein von einem Fonds für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt die Rede. Präzise gesagt handelt es sich dabei um einen Haushaltstitel, der im Jahr 2000 angesichts des Anstiegs der Zahl rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Straftaten eingerichtet worden ist; erstmals wurde er im Bundeshaushalt 2001 ausgewiesen. Damit besteht die Möglichkeit, Opfern rechtsextremistischer Gewalt unbürokratisch Härtefallleistungen zukommen zu lassen. Damit wird das System der allge­meinen Opferentschädigung ergänzt. Eine vergleichbare humanitäre Hilfe ist im Bundeshaushalt auch für die Opfer terroristischer Gewalt vorgesehen. Die Möglichkeiten, einmal den Opfern rechtsextremistischer und zum anderen denen terroristischer Gewalt Härtefallleistungen zukommen zu lassen, haben sich in der Vergangenheit sehr bewährt. Deswegen wird der Haushaltstitel für den sogenannten Fonds nunmehr nicht etwa umgestaltet, sondern in der Weise ergänzt, dass eine Erweiterung dieses Titels um Härtefallleistungen für Opfer jeglicher extremistischer Übergriffe vorgesehen wird.

Zur näheren Ausgestaltung - Ihre Frage bezog sich ja auf den Zeitrahmen - ist bereits am 18. Dezember 2009 eine Richtlinie zur Zahlung von Härtefallleistungen aus dem Bundeshaushalt an die Opfer extremistischer Übergriffe erlassen worden. Diese Richtlinie wird zeitgleich mit dem Haushaltsgesetz 2010 in Kraft treten, nach derzeitiger Planung Mitte April 2010.

Sie haben darüber hinaus gefragt, ob befürchtet werden müsse, dass es zu Kürzungen zulasten der Opfer rechtsextremistischer Gewalt kommt. Diese Befürchtung ist nicht begründet; denn der bisherige Haushaltsansatz für Opfer rechtsextremistischer Gewalt in Höhe von 300 000 Euro wird mit dem Bundeshaushalt 2010 erheblich aufgestockt, nämlich auf insgesamt 1 Million Euro. Demgemäß ist eine Budgetkürzung, soweit es um Leistungen an Opfer rechtsextremistischer Gewalt geht, nicht zu befürchten.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.

Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Zunächst einmal vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Meine Frage bezieht sich auf Fallzahlen. Ist Ihnen be­kannt, wie viele Opfer rechtsextremistischer Gewalt es in unserem Lande gibt? Wie viele Opfer terroristischer Gewalt gibt es im Vergleich dazu?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Abgeordneter, diese Zahlen können natürlich nachgeliefert werden.

Aus Ihrer Frage spricht, glaube ich, die Besorgnis, dass aus dem neuen Haushaltstitel so viele andere Fälle zu bedienen sind, dass den Opfern rechtsextremistischer Gewalt die bisherigen Härtefallleistungen nicht mehr oder nicht mehr in voller Höhe gewährt werden können. Diese Befürchtung halte ich für ungerechtfertigt. In den Richtlinien, die am 18. Dezember 2009 erlassen worden sind und Mitte April dieses Jahres in Kraft treten werden, sind keine anderen Voraussetzungen für Zahlungen vorgesehen, sodass aufgrund dieser Richtlinien Kürzungen im Einzelfall nicht zu befürchten sind.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Die zweite Nachfrage.

Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Herr Staatssekretär, befürchten Sie nicht auch, dass es zu einer inhaltlich nicht vertretbaren Vermischung kommt, wenn sich eine Richtlinie auf Opfer unterschied­licher ideologisch geprägter Gewalt bezieht, und dass man im Nachgang kein differenziertes Bild mehr von der politisch-ideologisch geprägten Landschaft erhält?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes­ministerin der Justiz:
Herr Abgeordneter, eine Relativierung der rechts­extremistischen Übergriffe ist damit in keiner Weise verbunden.

Die Bundesregierung betrachtet das Problem gewis­sermaßen aus der Opferperspektive. Es ist unsere Auffassung in der Koalition, dass die Opfer jeglicher extre­mistischer Gewalt in gleicher Weise einen Anspruch auf unbürokratische humanitäre Hilfe haben. Mit "Anspruch" meine ich keinen einklagbaren Rechtsanspruch, vielmehr meine ich, dass Geldleistungen vorgesehen werden sollen.

Den Opfern rechtsextremistischer Gewalt wird damit in keiner Weise irgendein Unrecht angetan, und ihre Situation wird nicht etwa relativiert. Denn noch einmal: Die Haushaltsmittel werden sogar erheblich aufgestockt. Die Befürchtung, dass es durch zusätzliche Aufgaben zu Kürzungen bei diesem Haushaltstitel kommt, wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn der Titel in der alten Höhe bestehen bliebe. Er wird aber von 300 000 Euro auf 1 Million Euro aufgestockt, sodass gerade für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt auch in der Zukunft hinreichend Mittel zur Verfügung stehen. Irgendeine Relativierung sehe ich darin nicht.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Eine weitere Nachfrage stellt nun der Kollege Volker Beck.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt: Es geht um Opfer jeglicher extremistischer Gewalt. Könnten Sie diesen Begriff für das Parlament bitte näher erläutern? Das ist sicher auch für die Öffentlichkeit interessant. Geht es um jegliche Form extremistischer politischer Gewalt, geht es auch um jede Form religiös motivierter extremistischer Gewalt, und welche anderen denkbaren Konstellationen oder Konnotationen sind bei Ihrem Haushaltsansatz noch angedacht?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes­ministerin der Justiz:
Herr Kollege Beck, mit Ihrer Frage geben Sie mir Ge­legenheit, dies zu präzisieren und Ihnen vorzutragen, wie dies - in Ausführung des Koalitionsvertrages - in der Präambel der Richtlinie formuliert ist. Hier heißt es - ich darf daraus zitieren; sie wird in Bälde in Kraft treten-?: Es ist ein Grundwert der pluralen Gesellschaft und eine zentrale Aufgabe des Staates, die Freiheit jedes Einzel­nen vor Extremismen jeder Art - seien es Links- oder Rechtextremismus, Antisemitismus oder Islamismus - zu schützen und zu verteidigen. - Das ist die Umschreibung der Aufgabe, die mit dem sogenannten Fonds bzw. Haushaltstitel zu erfüllen ist.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie mir das noch erläu­tern? Verstehen tue ich das immer noch nicht!)

Dr. Stadler:  Da Sie das Mikrofon nicht benutzt haben, konnte ich Sie nicht verstehen.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe kein Recht zu einer weiteren Nachfrage! Meine Frage richtete sich darauf, ob all die Begriffe, die ich angeboten habe, damit umfasst werden! Ist also zum Beispiel auch die extremistische religiöse Gewalt gemeint?)

Dr Stadler: Ich habe aus der Richtlinie vorgetragen. Nach dieser Richtlinie, die sich am Koalitionsvertrag orientiert, werden diese humanitären Mittel künftig nach Prüfung jedes Einzelfalls ausgereicht werden.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt keine Antwort auf die Frage!)

 



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