Dr. Max Stadler Archiv Fragestunde


Verschuldungsunabhängige Haftung bei EC- Karten Verlust

(25.11.2009)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes­ministeriums der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Caren Lay auf:

Plant die Bundesregierung Korrekturen an der nationalen Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie, um die in den neuen allgemeinen Geschäftsbedingungen vieler Banken ver­ankerte verschuldungsunabhängige Haftung von bis zu 150 Euro Selbstbehalt bei Verlust oder Diebstahl der EC-Karte einzuschränken, und welche Ausnahmen beabsichtigt die Bundesregierung insbesondere im Falle von Raubopfern gesetzlich zu fixieren?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes­ministerin der Justiz:

Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Tatsächlich gibt es in Deutschland seit kurzer Zeit, nämlich seit dem 31. Oktober 2009, aufgrund der Umsetzung einer EG-Richtlinie eine neue Rechtslage für die verschuldensun­abhängige Haftung bei missbräuchlicher Nutzung von Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten, zum Beispiel von Bankkarten. Demnach kann ein Zahlungsdienstleis­ter nach § 675 v BGB eine Schadensbeteiligung des Kar­teninhabers bei nichtautorisierten Zahlungsvorgängen verlangen. Diese Beteiligung gilt verschuldensunabhän­gig bis zu einem Höchstbetrag von 150 Euro, wenn die Zahlungskarte entweder verloren gegangen, gestohlen oder sonst abhanden gekommen ist, und meint immer Vorgänge bis zur Meldung des Verlustes. Das ist wichtig, wie wir gleich sehen werden.

Nun haben die Mitgliedstaaten nach Art. 61 Abs. 3 der Zahlungsdiensterichtlinie die Option, den Betrag von 150 Euro herabzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch ebenso wie zahlreiche andere EU-Mitgliedstaaten von dieser Option keinen Gebrauch gemacht. Die Bun­desregierung hält dies für sachgerecht. Es geht bei dieser Regelung vor allem um die Obliegenheit des Karten­inhabers, Schäden zu vermeiden oder die Höhe von Schäden zu begrenzen, also um eine Schadensminde­rungsobliegenheit. Deswegen soll ein Karteninhaber den Verlust einer Zahlungskarte unverzüglich anzeigen. Da­mit dafür ein zusätzlicher Anreiz gegeben wird, hat sich der Gesetzgeber entschieden, die in der Richtlinie ge­nannte verschuldensunabhängige Schadensbeteiligung in Höhe von 150 Euro in vollem Umfang zu überneh­men. Diese verschuldensunabhängige Haftung gilt unab­hängig von den jeweiligen Fallkonstellationen, weil im­mer das Grundprinzip zur Geltung gebracht werden soll, dass es einen Anreiz für eine rasche Verlustanzeige gibt.

Ich darf noch darauf hinweisen, dass diese 150 Euro eine Maximalvorgabe sind. Es bleibt den Kreditinstitu­ten unbenommen, ihren Kunden günstigere Konditionen einzuräumen. Beispielsweise hat eine der größten Finanzgruppen schon angekündigt, diesen Betrag bei ei­nem Missbrauch der Bankkarte nicht zu erheben, wenn der Kunde sorgfältig mit der Karte und der Geheimzahl umgegangen ist.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.

Caren Lay (DIE LINKE):

Herr Staatssekretär, erst einmal herzlichen Dank für die sehr umfangreiche Antwort auf diese Frage, die sehr viele Bankkunden in den letzten Wochen bewegt hat und vor allen Dingen zukünftig bewegen wird, wenn der Fall der verschuldensunabhängigen Haftung beim Verlust der EC-Karte tatsächlich eintritt.

Ich muss dennoch nachfragen, ob ich Sie richtig ver­standen habe, dass die neue Bundesregierung zunächst nicht plant, die Regelungen der alten Bundesregierung, wie es von den Verbraucherverbänden gefordert wird, dahin gehend zu korrigieren, dass der nationale Hand­lungsspielraum für Ausnahmeregelungen genutzt wird, die im Einzelfall sogar bis zum Haftungsausschluss füh­ren können.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes­ministerin der Justiz:

Sie haben mich völlig richtig verstanden. Grundsätz­lich sind wir zur Umsetzung der EG-Richtlinie ver­pflichtet. Die Option bestand darin, dass man für Aus­nahmefälle eine Herabsetzung dieses Betrages von 150 Euro hätte vorsehen können, so wie dies in der Pra­xis von Kreditinstituten ohnehin praktiziert wird.

Im Gesetzgebungsverfahren ist diese Frage aus­führlich erörtert worden. Es hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass das Grundprinzip, dass mit dieser ver­schuldensunabhängigen Schadensbeteiligung eine ra­sche Anzeige des Verlusts herbeigeführt werden soll, auf alle Fallgruppen zutrifft. Dieses Grundprinzip findet seine Rechtfertigung darin, dass der Karteninhaber dazu beitragen soll, dass Schäden erst gar nicht entstehen oder möglichst gemindert werden.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Ihre zweite Nachfrage.

Caren Lay (DIE LINKE):

Vielen Dank. ? Ich möchte Sie weiter fragen, wie Sie mit dieser Prämisse verhindern wollen, dass Kreditinsti­tute künftig zulasten der Verbraucherinnen und Verbrau­cher an ihren Sicherheitsvorkehrungen sparen oder eben nicht in diese investieren, weil jetzt nicht mehr allein das Kreditinstitut, sondern verschuldensunabhängig auch die Verbraucherinnen und Verbraucher zur Kasse gebeten werden.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes­ministerin der Justiz:

Gleichwohl bleibt es natürlich ein Interesse der Kre­ditinstitute, selber Vorkehrungen zu treffen, dass solche Schäden nicht eintreten. Es handelt sich hier nur um eine ergänzende Maßnahme, damit der Verbraucher seine Ob­liegenheit, die ihn nach dem geltenden Recht ohnehin trifft, nämlich den Verlust der Karte rasch anzuzeigen, tatsächlich erfüllt.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Danke, Herr Staatssekretär.


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