Dr. Max Stadler Archiv Politik


Beharrlicher Verfechter der Errungenschaften des Rechtsstaats

Für die FDP-Bundestagsfraktion ist Dr. Max Stadler eine Art "Geheimwaffe". Er ist Obmann der FDP im BND-Untersuchungsausschuss und stellvertretender Vorsitzender im Parlamentarischen Kontrollgremium. Zwei wichtige Ämter in zwei hochbrisanten Institutionen. Außerdem leitet der Jurist den Arbeitskreis IV - Innen und Recht - der Fraktion. Im Nachgefragt-Interview erzählt Max Stadler, wie er die Daten(skandal)flut bewältigt, die Geheimdienste hinterfragt, die Regierung kritisch kontrolliert und wie er trotz allem auch noch ruhig schlafen kann.

"Nachgefragt" ist ein neues Format der FDP-Bundestagsfraktion, in dem ab sofort wöchentlich Abgeordnete im großen Interview zu Wort kommen.


Herr Dr. Stadler, Sie sind bestimmt sehr im Stress, Ihre Themen haben Konjunktur! Ob BND-Untersuchungsausschuss, BKA-Gesetz oder die Datenskandale bei großen deutschen Unternehmen – in der Innenpolitik geht es gerade hoch her. Wie schaffen Sie es, immer auf dem Laufenden zu bleiben?

Die aktuellen innenpolitischen Debatten führe ich sehr gerne, weil sie grundlegende Fragen des Staatsverständnisses und des Verhältnisses der Bürgerinnen und Bürger zum Staat betreffen. Diese Themen sind daher bestens geeignet, liberale Positionen zu verdeutlichen. Dabei hilft mir sehr, dass alle Mitglieder des von mir geleiteten Arbeitskreises IV (Innen- und Rechtspolitik) ausgewiesene Fachleute sind und wir in einem sehr kollegialen Dialog unsere Stellungnahmen zu den aktuellen innenpolitischen Fragen gemeinsam erarbeiten. Gerade bei dem besonders wichtig gewordenen Thema Datenschutz ist die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, eine Spezialistin, von deren Fachwissen auch ich sehr profitiere. Nicht zu vergessen ist die exzellente Zuarbeit durch die in diesem Politikbereich bei uns tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.


Gerade in Ihrer Funktion als Mitglied des BND-Untersuchungsausschusses und des Parlamentarischen Kontrollgremiums können Sie ja oft nicht auf die Hilfe von Mitarbeitern zurückgreifen, sondern müssen alles selbst lesen, da viele Dokumente der Geheimhaltung unterliegen. Für Sie eher Privileg oder Bürde?

Im Parlamentarischen Kontrollgremium ist man „Einzelkämpfer“. Es ist zwar ehrenvoll, wenn einem das Vertrauen entgegen gebracht wird, geheimzuhaltende Sachverhalte zu beurteilen. Dennoch hat sich bei allen Fraktion die Auffassung durchgesetzt, dass die Kontrolle der Geheimdienste noch effektiver wäre, wenn - wie in allen anderen Ausschüssen üblich - auch im Parlamentarischen Kontrollgremium eine Zuarbeit durch sachkundige Mitarbeiter zulässig wäre. Diese Frage ist Gegenstand von Gesprächen der FDP mit CDU/CSU und SPD über ein Reformgesetz. Im Untersuchungsausschuss wendet mein Kollege Hellmut Königshaus, obwohl er „nur“ stellvertretendes Mitglied ist, enorm viel Arbeitskraft auf, um mit mir gemeinsam die Sitzungen vorzubereiten und zu bestreiten. Zu zweit sind wir mit Sicherheit ein viel schlagkräftigeres Team als ich es alleine sein könnte. Zudem sind im Untersuchungsausschuss Mitarbeiter für uns tätig (dort ist dies erlaubt), die Herrn Königshaus und mir in vorbildlicher Weise bei der Bewältigung der Aufgabe helfen.


Wenn man über so viel geheimes Wissen verfügt, schläft man dann nicht manchmal unruhig?

Ich würde viel unruhiger schlafen, wenn es - trotz aller Unzulänglichkeiten - die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten nicht gäbe. Sowohl die Möglichkeit, bestimmte Vorgänge in Untersuchungsausschüssen gründlich aufzuklären, als auch die laufende Überwachung der Arbeit der Nachrichtendienste im Parlamentarischen Kontrollgremium sind wertvolle Errungenschaften der Demokratie und des Rechtsstaats.


Haben Sie das Gefühl, dass sich Ihre Mühen - z.B. im BND-Untersuchungsausschuss - lohnen?

Gerade die zeitlich äußerst aufwendige Arbeit im BND-Untersuchungsausschuss hat gezeigt, dass kaum ein anderes parlamentarisches Gremium in der Lage ist, problematische Sachverhalte so ausführlich zu behandeln wie dies dort möglich ist. Dadurch konnte herausgearbeitet werden, dass nach dem 11.09.2001 in dem verständlichen Bestreben nach Sicherheit verantwortliche Stellen rechtsstaatliche Grundsätze mehrfach nicht mehr eingehalten haben. Obwohl der Untersuchungsausschuss seine Arbeit noch nicht beendet hat, haben seine Verhandlungen und die Zwischenergebnisse auf die heutige Praxis der Sicherheitsbehörden bereits positive Auswirkungen gezeitigt. Beispielsweise ist es mittlerweile zu einer Regelung gekommen, dass im Rechtshilfeverkehr mit ausländischen Staaten Informationen nur dann weitergegeben werden dürfen, wenn sichergestellt ist, dass deren Verwendung nicht zu Folter, rechtsstaatswidrigen Verfahren oder zu Verhängung der Todesstrafe führt. Da somit der Untersuchungsausschuss dazu beigetragen hat, dass an sich selbstverständliche, aber in der Praxis nicht mehr gewährleistete rechtsstaatliche Prinzipien in der Alltagsarbeit wieder vollständig eingehalten werden, sehe ich die Mitwirkung in diesem Ausschuss als sehr lohnenswert an.


Stichwort Parlamentarisches Kontrollgremium: Sie setzen sich für eine Reform des Gremiums ein, um zum Beispiel die Arbeit des Nachrichtendienstes besser kontrollieren zu können. Was genau fordern Sie?

Bei der Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums kommt es vor allem darauf an, die Berichtspflicht der Bundesregierung an dieses Gremium zu präzisieren. Es kann nicht angehen, dass das Parlament über Vorfälle aus dem Bereich der Nachrichtendienste aus den Medien erfährt und erst verspätet von der Bundesregierung informiert wird. Deshalb sollte es Mitarbeitern der Nachrichtendienste auch erlaubt sein, Missstände direkt dem Gremium mitzuteilen. Die jetzt schon vorgesehene Regelung, in bestimmten Fällen in geeigneter Weise nach den Sitzungen die Öffentlichkeit zu informieren, muss ergänzt werden um das Recht der Opposition, abweichende Beurteilungen vorzunehmen und zu publizieren. Schließlich könnte die Effizienz der Kontrolle dadurch erhöht werden, dass (sicherheitsüberprüfte) Mitarbeiter bei der Tätigkeit der Abgeordneten helfen dürfen.


Wo wird die FDP-Bundestagsfraktion im AK IV in den kommenden Monaten bis zum Bundestagswahl noch Schwerpunkte setzen?

Ein besonderer Schwerpunkt in der Tätigkeit des Arbeitskreises IV in den kommenden Monaten wird darin liegen, aus verschiedenen Datenschutzskandalen der letzten Zeit die notwendigen gesetzgeberischen Folgerungen zu ziehen. In der Vergangenheit spielte vor allem der Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat eine große Rolle, für die Zukunft muss man Möglichkeiten finden, den Datenschutz im Privatrechtsverkehr zu verbessern.

Zugleich wird die Auseinandersetzung um das richtige Maß an polizeilichen Eingriffsbefugnissen und um die Wahrung des Kernbereichs privater Lebensführung am Beispiel des BKA-Gesetzes weiter gehen. Nachdem sich andere Länder dem Vorbild der von der FDP mitregierten Bundesländer angeschlossen haben und ihre Bedenken zum BKA-Gesetz formuliert haben, wird es zu einem Vermittlungsverfahren kommen, möglicherweise auch zu einer Verfassungsklage. Daher bleibt das Generalthema der richtigen Balance von Freiheit und Sicherheit auf der Agenda des AK IV.


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