Rede von Dr. Max Stadler im Plenum des Deutschen Bundestages am 05.06.2003
zum Antrag der CDU/CSU Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter
(Es gilt das gesprochene Wort)
Anrede
In der öffentlichen Diskussion über die Errichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ ist an uns Parlamentarier oft die Frage gerichtet worden, wie denn mit deutschen Zwangsarbeitern zu verfahren sei.
Für die FPD-Fraktion habe ich in der damaligen Plenumsdebatte zum Ausdruck gebracht, dass es völlig richtig gewesen ist, beide Vorgänge strikt voneinander zu trennen. Der Deutsche Bundestag hat das schwere Schicksal der unter den Nationalsozialisten leidenden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter gewürdigt und zusammen mit der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft eine symbolische finanzielle Entschädigungsleistung bereitgestellt. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass es ein Fehler gewesen wäre, historisch falsche Parallelen herzustellen. Zu Recht sind daher seinerzeit die Beratungen über das Stiftungsgesetz nicht mit der heute zu prüfenden Frage einer Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter befrachtet worden.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass Zwangsarbeit für jeden einzelnen Betroffenen ein schweres individuelles Schicksal darstellt. Daher wird die FDP-Fraktion den heutigen Antrag der Union bei den weiteren parlamentarischen Beratungen wohlwollend begleiten und im Grundsatz unterstützen.
Die CDU/CSU geht in der Begründung ihres Antrages selbst nicht davon aus, dass es opportun wäre, an andere Staaten wegen derartiger Entschädigungsleistungen heranzutreten. Daher läuft der Antrag der Union darauf hinaus, dass es Sache der Bundesrepublik Deutschland selbst sein wird, eine finanzielle Leistung als Geste für den betroffnen Personenkreis zur Verfügung zu stellen.
Neben der Frage der Finanzierbarkeit wird in den Ausschussberatungen zu klären sein, ob sich daraus unerwünschte Präjudizwirkungen ergeben könnten, da ja an Sicht die Kriegsfolgengesetzgebung schon abgeschlossen ist. Die Bundesregierung wird darstellen müssen, welche Leistungen deutsche Zwangsarbeiter bereits erhalten haben und ob diese etwa als Eingliederungshilfen dem Charakter der jetzt von der Union geforderten humanitären Geste entsprochen haben. Schließlich wird zu überlegen sein, ob eine etwaige Geldleistung ähnlich wie im Stiftungsgesetz an bestimmte zusätzliche Voraussetzungen gebunden werden soll. Denn auch durch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ wird ja nicht etwa Zwangsarbeit schlechthin entschädigt, sondern es müssen weitere Kriterien wie Verschleppung oder Inhaftierung hinzukommen, so dass nur besonders schwere Zwangsarbeiterschicksale überhaupt in diese Stiftungsregelung fallen.
Wenn all diese Fragen zufriedenstellend geklärt sind, wird die FDP-Fraktion sich positiv zu dem Antrag der Union stellen.