Dr. Max Stadler Archiv Reden


Rede vom 05.06.2004

Rede Dr. Guido Westerwelle Bundesparteitag

Rede von Dr. Guido Westerwelle auf dem 55. Ordentlichen FDP-Bundesparteitag

Anrede,
am 1. Mai haben wir die Wiedervereinigung Europas gefeiert. Mit dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten wird die Spaltung Europas überwunden. Vor 15 Jahren waren hier in Dresden die Panzer und Raketen der Roten Armee stationiert. Heute ist Dresden Teil unseres wiedervereinigten Deutschlands. Es gibt hier keine sowjetische Armee mehr. Sie sind in Frieden abgezogen. Seit dem 1. Mai liegt Dresden in der Mitte eines vereinigten, freien und friedlichen Europas.

Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn das gemeinsame Europa nicht mehr gebracht hätte als Frieden über Jahrzehnte, es hätte sich schon gelohnt. Die Aussöhnung Deutschlands mit dem Westen. Die Freundschaft zu unseren westeuropäischen Nachbarn, wir verdanken sie Politikern wie Theodor Heuss und Konrad Adenauer. Dass dem Freiheitswillen der Bürger in Ostdeutschland auch die staatliche Einheit folgte, verdanken wir Walter Scheel und Willy Brandt mit unserer neuen Ostpolitik. Wir verdanken sie Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff und Klaus Kinkel und ihrem Wirken während der Wiedervereinigung Deutschlands. Sie haben die Einheit unseres Vaterlandes ebenso wenig aus den Augen verloren wie die Einheit Europas. Auch nicht zur Zeit des Kalten Krieges. Das ist die historische Leistung, derer, die vor uns Verantwortung getragen haben. Unsere Verantwortung heute ist es, den europäischen Integrationsprozess zu vertiefen. Unsere Aufgabe ist es, aus der politischen Wiedervereinigung Europas eine Freundschaft der Völker zwischen uns und unseren östlichen Nachbarn folgen zu lassen. Wir wollen und werden bald auch wieder aus der Regierungsverantwortung diesen europäischen Prozess aktiv gestalten. Denn die Idee des gemeinsamen Europas braucht auch in Deutschland die Kraft der Freiheit.

Wir wollen keine Außenpolitik, die unseren Kontinent in ein neues und in ein altes Europa aufspaltet. Wer glaubt, Europa zu einigen, in dem er das transatlantische Band durchschneidet, der wird Europa nicht einigen, sondern trennen. Wir wollen keine Politik der Achsenbildung Paris-Berlin-Moskau. Im deutschen Interesse liegt die europäische Einigung, die auch die kleineren Länder einbezieht und die Brücken baut.

Europas Weg ist nicht Gegnerschaft, sondern Partnerschaft, ausdrücklich auch mit unseren Verbündeten jenseits des Atlantiks.

Aber Partnerschaft ist nicht unkritischer Umgang miteinander. Freundschaft ist nicht gleichbedeutend mit Kritiklosigkeit und Sprachlosigkeit. Deswegen hat die FDP den militärischen Alleingang der Vereinigten Staaten im Irak stets abgelehnt. Wir wollen, dass das Gewaltmonopol in der Staatengemeinschaft von den Vereinten Nationen wahrgenommen wird. Als Partei des Völkerrechts wollen wir die Vereinten Nationen stärken und nicht durch Alleingänge schwächen.

Aber wir bleiben auch dabei: wer mit Anti-Amerikanismus im Wahlkampf Punkte sammeln will, muss mit dem entschiedenen Widerstand der Freien Demokratischen Partei rechnen. Wie erklärt es eigentlich der Außenminister Joschka Fischer in Washington, dass seine grüne Partei den Präsidenten der USA auf Wahlplakaten zeigt, um mit anti-amerikanischer Stimmung Wahlkampf zu machen? Das liegt nicht im deutschen Interesse. Regierungen kommen und gehen, aber die Freundschaft zwischen den Völkern muss bleiben.

Die terroristischen Anschläge am 11. September in New York, die Bombenattentate am 11. März in Madrid, sie richten sich nicht nur gegen die USA oder gegen Spanien. Sie greifen die gesamte westliche Wertegemeinschaft an. Wir müssen gemeinsam mit den Vereinten Nationen und unseren Verbündeten diesen Kampf gegen den weltweiten Terrorismus führen. Das Ziel unseres gemeinsamen Kampfes gegen den weltweiten Terrorismus ist mehr Menschlichkeit. Die unmenschliche Behandlung von Gefangenen steht diesem Ziel entgegen.

Wer foltert, kann im Kampf gegen den Terrorismus nicht seine Rechtfertigung suchen. Wer foltert und auch wer Folter veranlasst oder billigt und duldet, ist kriminell. Wir wollen aber auch festhalten: die Folterer sind nicht Amerika.

Wir bleiben Amerika freundschaftlich verbunden, weil Freundschaft zwischen Völkern mehr ist als die Beziehungen zwischen Regierungen. Das Fundament der Freundschaft zwischen Deutschen und Amerikanern ist und bleibt stabil, weil es auf festen Grundsätzen, Werten und Überzeugungen basiert. Die amerikanische Regierung muss erkennen, dass der Erfolg des Anti-Terrorkampfes auch von seiner rechtsstaatlichen Nachvollziehbarkeit abhängt.

Die Folterung von Gefangenen im Irak, aber auch die Behandlung von Gefangenen in Guantanamo verstoßen gegen unsere gemeinsamen Werte und gemeinsame internationale Rechtsordnung. Die Behandlungen von Gefangenen aus Afghanistan in Guantanamo sind keine inneramerikanische Angelegenheit. Ich habe in unserem Namen, im Namen der FDP, schon im Januar 2002 gegen diese Behandlung in Guantanamo in einem Brief an den amerikanischen Botschafter protestiert. Das war zu einem Zeitpunkt, als die Scheinwerfer der Kameras sich noch nicht auf Guantanamo richteten. Wir Liberale kämpfen eben für Menschenwürde und Menschenrechte nicht erst dann und nicht nur dort, wenn sich die Scheinwerfer der Kameras hingewendet haben. Fernsehaußenpolitik ist zu kurzsichtig. Deutsche Außenpolitik muss stets werteorientiert und interessensgeleitet sein. Menschenrechte brauchen gerade da einen Anwalt, wo kaum jemand hinschaut, und wo Mächtige regieren und es vielen nicht mehr opportun erscheint.

Im Jahresbericht 2003 von Amnesty International über die Volksrepublik China heißt es wörtlich: „Es waren erneut schwere Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen. In gewissen Bereichen verschlechterte sich die Menschenrechtslage im Vergleich zu den Vorjahren.“
Wenn der deutsche Bundeskanzler, unterstützt von seinem Außenminister, vor diesem Hintergrund, die Aufhebung des europäischen Waffenembargos gegen China fordert, opfern sie die Menschenrechte auf dem Altar ihrer ausgeweiteten Waffenexportpolitik. Wir wollen zivile Zusammenarbeit. Handel durch Wandel bleibt unser Weg. Aber Waffenexporte in Länder, die eklatant die Menschenrechte verletzen, werden wir Liberale in der Regierungsverantwortung nicht zulassen.

Es ist gut, wenn der chinesische Ministerpräsident vor wenigen Wochen Deutschland besucht. Es ist gut, wenn möglichst viele wirtschaftliche Beziehungen und Verbindungen geknüpft werden, aber dass die Bundesregierung mit keinem Ton die Behandlung Tibets und des Dalai Lama durch die chinesische Regierung anspricht, wollen wir nicht akzeptieren. Es ist nicht einfach, beispielsweise die Tibet-Frage gegenüber dem chinesischen Ministerpräsidenten anzusprechen. Aber trotzdem habe ich es in meinem Gespräch in Berlin mit dem chinesischen Ministerpräsidenten getan. Ich danke der Friedrich-Naumann-Stiftung und unserem Ehrenvorsitzenden Graf Lambsdorff für sein jahrelanges beharrliches, internationales Engagement in der Sache der Menschenrechte. Diese Beharrlichkeit über Jahrzehnte ist das Markenzeichen liberaler Menschenrechtspolitik.

Einsatz für Menschenrechte ist eben nicht Einmischung in die innere Angelegenheit anderer Länder. Es gibt eine Pflicht zur Einmischung in die innere Angelegenheit der Menschenrechte.

Deutsche Außenpolitik bleibt europäisch eingebettet. Europa gibt sich eine Verfassung. Das ist ein historischer Schritt. Weil Europa und die Europapolitik immer wichtiger wird, rufen wir die Bürgerinnen und Bürger auf, am 13. Juni auch zur Europawahl zu gehen. Mehr Interesse an Europa und an den Europawahlen hängt aber auch davon ab, wie die Parteien mit dieser Europawahl umgehen. Die CDU plakatiert Angela Merkel. Die Grünen Joseph Fischer. Beide kandidieren nicht für das Europaparlament. Wir Liberale müssen unsere Spitzenkandidatin bei der Europawahl nicht verstecken. Wir werben mit unserer Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin, weil sie eine kluge, frische und sympathische Europäerin ist und weil bei der Europawahl die Europapolitik zur Abstimmung stehen muss. Niemand darf sich über geringe Wahlbeteiligungen wundern, wenn die Parteien den Eindruck erwecken, die Europawahl sei nur ein momentanes innerdeutsches Stimmungsbarometer. Europa ist wichtig, wird immer wichtiger und deshalb ist es auch wichtig, sich bei der Europawahl zu beteiligen.

Ich danke Silvana Koch-Mehrin und den anderen Europakandidaten der FDP für ihren engagierten Wahlkampf. Dass Silvana Koch-Mehrin ehrenamtlich als junge Unternehmerin und Mutter ihre Spitzenkandidatur mit mehr als 200 persönlichen Auftritten schultert, verdient den Dank der ganzen Freien Demokratischen Partei und wird- da bin ich mir sicher- mit der Rückkehr der deutschen Liberalen in das Europaparlament am 13. Juni belohnt werden.

Wir wollen ein Europa der Bürger, nicht ein Europa der Staatsgipfel. Die Europäische Verfassung findet im Parlament eine Mehrheit von mindestens 90 %. Warum trauen sich die anderen Parteien nicht, diese Verfassung den Bürgern zur Abstimmung vorzulegen? Weil sie Angst vor den Bürgerinnen und Bürgern haben. Wenn die Verfassung aber in die Köpfe und in die Herzen der Menschen kommen soll, dann brauchen wir eine Debatte und auch eine Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger. Die FDP will einen Volksentscheid über die EU-Verfassung. Unsere Verfassung kennt Volksentscheide bei der Zusammenlegung von Bundesländern. Die Eingliederung von Deutschland in eine europäische Staatlichkeit ist im Vergleich dazu mit Sicherheit weit wichtiger. Deshalb sollte zuerst das Volk befragt werden. Die FDP-Bundestagsfraktion hat dazu einen Antrag im Deutschen Bundestag eingebracht. Ich kann verstehen, wenn Konservative dagegen stimmen, weil sie grundsätzlich skeptisch sind gegenüber Mitteln der direkten Demokratie. Aber dass die Grünen gegen eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung sind, zeigt wie schnell man seine Meinung ändert, wenn man erstmal im Ministersessel Platz genommen hat. Die Grünen sind sonst für Volksabstimmungen über jeden Krötentunnel, aber bei Europa dürfen die Bürger nicht gefragt werden.

Manche sagen, eine Volksabstimmung wäre Populismus, andere halten sie für gefährlich. Der Präsident des Europäischen Verfassungskonventes, Valerie Giscard d’Estaing, hat in einem Interview erklärt: „Die Franzosen zur Verfassung zu befragen, ist ein vernünftiges und positives Risiko, dass man zu Recht eingehen darf.“

Ich möchte Ihnen einmal darlegen, wie die Lage in Europa aussieht: Dänemark, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Polen, Lettland, Frankreich, Österreich, Portugal, Spanien, Ungarn, Tschechien, Slowenien und die Slowakei werden entweder einen Volksentscheid durchführen, oder beraten, ob es ein Referendum geben soll oder haben die Möglichkeit geschaffen, dass es ein Referendum geben kann. Ich halte unser deutsches Volk für demokratisch genauso reif wie all die Staaten in Europa, in denen die Bürger darüber abstimmen dürfen. Eine neue Verfassung muss vom Volk getragen werden, sonst bleibt sie Papier.

Als überzeugte Europäer wollen wir aber auch vor den Fehlentwicklungen in Europa nicht die Augen verschließen.

Was Europa nicht regeln muss, das soll Europa auch nicht regeln dürfen. Wir setzen auf Bürgernähe und deswegen soll vor Ort und in den Nationalstaaten entschieden werden, was dort entschieden werden kann. Es ist nicht Aufgabe europäischer Beamter, Werbeverbote für erlaubte Produkte in Deutschland einzuführen. Aufgabe Europas ist es aber, dafür zu sorgen, dass das Verhältnis von Subventionen zu Bildungsinvestitionen, von zum Beispiel fast 50 Milliarden Euro für die Landwirtschaft gegenüber knapp 4 Milliarden für Forschung und Bildung verändert wird.

Dagegen muss sich Brüssel um die Einhaltung der europäischen Verträge nicht nur bemühen, sondern sie auch durchsetzen.

Rot-Grün hat die Axt an die Wurzel der europäischen Einigung gelegt. Wer nämlich die Idee der Stabilität der europäischen Währung infrage stellt, der stellt in Wahrheit die Idee der Europäischen Union infrage; denn er riskiert, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu verlieren.

Das ist unverantwortlich und unhistorisch. Wenn schon die Regierung des Landes, das die Stabilitätskriterien erfunden und durchgesetzt hat, den Stabilitätspakt bricht, dann ist das eine Einladung an die Regierungen aller anderen Länder Europas, es ihr gleich zu tun. Wie will man den osteuropäischen Beitrittsländern erklären, dass sie die Beitrittsbedingungen einhalten müssen, wenn Deutschland selbst zu den Vertragsbrechern zählt?

Der Stabilitätspakt schafft Vertrauen in die europäische Währung und in das gemeinsame Europa. Wir Liberale wollen, dass die Stabilitätskriterien Teil der Europäischen Verfassung und auch Teil des Deutschen Grundgesetz werden.

Die europäische Verfassung sieht einen EU-Präsidenten und einen Eu-Außenminister vor. Die Vielstimmigkeit der nationalen Außenpolitiken Europas ist eine Schwäche. Die beste Lösung für ein starkes Europa ist ein gemeinsames Auftreten durch einen gemeinsamen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.
Natürlich scheint das für viele unerreichbar, aber vor 15 Jahren schien auch die Überwindung der Spaltung Europas unerreichbar. Wir sollten unsere Ziele ausdauernd vertreten, wenn wir sie für die Richtigen halten, auch wenn die politische Realisierung heute noch nicht vor der Tür steht

Die europäische Wiedervereinigung ist eine Chance für Deutschland, wenn sich Deutschland richtig aufstellt. Aber sind wir vorbereitet auf die neuen Herausforderungen?

Es ist beunruhigend, dass die Antwort - leider nicht nur von rot-grün -, sondern auch von Teilen der Konservativen lautet: Ihr EU-Beitritts-Neulinge müsst Eure Steuern erhöhen, damit wir in Deutschland wettbewerbsfähig sind. Herr Schröder und Herr Stoiber haben bereits beide angebliches Steuerdumping bei unseren östlichen Nachbarn angeprangert. Die politische Konsequenz soll sein, dass wir in Europa eine Mindeststeuer einführen. Darüber muss man einen Augenblick nachdenken. Die Beitrittsländer haben schmerzhafte Reformen durchgeführt, damit sie international und europäisch wettbewerbsfähig werden. Jetzt werden sie es langsam, da kommt eine deutsche Regierung daher und sagt: So wettbewerbsfähig sollt ihr nicht sein, dass ihr Konkurrenten werdet. Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erreicht man nicht, in dem man andere Länder zu Steuererhöhungen bringt. Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erreichen wir nur, in dem wir bei uns ein international wettbewerbsfähiges Steuerrecht einführen. Die Vorstellung, Europa müsse am deutschen Steuerwesen genesen, stößt mit Recht nur auf Verbitterung und auf Hohn, in den Ländern, die genau das getan haben, was wir jahrelang von ihnen verlangt haben. Und nebenbei bemerkt: Was jedes Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen auch von der Bundesregierung verlangt. Sie haben sich auf die Globalisierung und den verschärften Wettbewerb eingestellt. Die Wiedervereinigung Europas bringt nicht Deutschland in Schwierigkeiten, sondern sie offenbart lediglich bereits lange bestehende strukturelle Schwierigkeiten in unserem Land. Wir müssen in Deutschland unsere eigenen Hausaufgaben machen, dann hat Deutschland auch die allerbesten Chancen im Wettbewerb um Investitionen und Wachstum wieder auf Platz 1 zu rücken.

Anrede,
wir erleben seit Jahren, dass Investitionen und Arbeitsplätze auswandern oder ausländische Investitionen einen Bogen um den Standort Deutschland machen. Auf diese Entwicklung lautet die Antwort der SPD: Patriotismus! Wer im Ausland investiere, so der Vorwurf an die deutsche Wirtschaft, sei unpatriotisch. Der SPD-Generalsekretär Benneter hatte dem noch einen drauf gesetzt, und das Wort von den „Vaterlandslosen“ gebraucht.

Vaterlandslos und unpatriotisch sind nicht Unternehmer, die sich mit neuen Märkten vor der Pleite schützen wollen. Vaterlandslos und unpatriotisch ist eine Politik, die Unternehmen ins Ausland oder in die Pleite treibt. Das ist die eigentliche Lage in Deutschland.

Ein Parteifreund hat mir auf einer Veranstaltung in Leipzig einen Brief überreicht. Der Brief stammt aus dem Ort Gersau in der Schweiz. Ich lese Ihnen daraus hier vor:
„Hohe Steuerbelastung führen in Deutschland dazu, dass der Erblasser nur sehr beschränkt über seinen Nachlass verfügen kann. Teilweise wird dadurch die geordnete Übergabe des Lebenswerks an die Nachkommenschaft erschwert oder gar vereitelt. Das Kanton Schwyz kennt keine Erbschaftssteuern. Wir sind deshalb in der Lage, Ihnen Lösungen anzubieten, bei denen der Nachlass ungeschmälert den Nachkommen übergeben werden kann. Wir sind gern bereit, Ihren Mandanten die Möglichkeiten und Vorteile eines allfälligen Umzuges nach Gersau aufzuzeigen.“ (Zitat Ende)

Im letzten Jahr hat die Regierung über Steuersenkungen und Flexibilisierung geredet. Heute sind die Themen Ausbildungsplatzabgabe, Vermögenssteuer, Erbschaftsteuer und Mehrwertsteuer. Die SPD betreibt den Agendawechsel. Der mag gut sein für die Seele der SPD, aber er ist ein Programm zur Arbeitsplatzvernichtung in Deutschland.

Der Versuch einer Modernisierung der SPD hat den SPD-Bundesvorsitzenden Schröder das Amt gekostet. Es wird keinen zweiten Versuch zur Modernisierung der SPD durch Franz Müntefering geben. Franz Müntefering ist ein Vorsitzender, der der alten Tante SPD die Rheumadecken auflegt.

Die Ausbildungsplatzabgabe wird nur dazu führen, dass noch mehr mittelständische Unternehmen in die Pleite geraten. Genau das müssen wir in Deutschland verhindern. Im letzten Jahr gab es über 40.000 Pleiten, insbesondere im Mittelstand. Wer Pleite geht, kann auch nicht ausbilden. Der Mittelstand muss gestärkt werden, dann wird auch mehr ausgebildet. Unsere Wirtschaftspolitik ist eine bessere Sozialpolitik, weil sie die Grundlage für den Wohlstand schafft. Unsere Mittelstandspolitik ist eine bessere Arbeitnehmerpolitik.

Das ist nicht nur ökonomischer Unfug. Durch die Ausbildungsplatzabgabe wird nicht ein einziger Ausbildungsplatz in Deutschland geschaffen. Die Stadt Dresden müsste rund 750.000 Euro Ausbildungsplatzabgabe zahlen. Ausgerechnet die Gewerkschaft, die sich besonders für die Zwangsabgabe stark gemacht hat, verdi, hat bei ihren über viertausend Beschäftigten gerade mal 12 Auszubildende (Quote: 0,29%). Der DGB hat bei 820 Beschäftigten nur 20 Auszubildende, das entspricht einer Ausbildungsquote von gerade mal 2,44%.

Wir brauchen selbstverständlich Gewerkschaften, aber wir brauchen keine Gewerkschaftsfunktionäre, die ihre eigenen Interessen statt die Interessen der Arbeitnehmer vertreten. Die Arbeitnehmer und Betriebsräte in einem Unternehmen wissen in der Regel besser was für sie, ihr Leben und den Erfolg und Bestand ihres Betriebes gut ist, als Funktionäre in weit entfernten Gewerkschafts- oder Arbeitgeberzentralen. Der Druck im Kessel auf eine Flexibilisierung des starren Flächentarifvertragsrechts muss erhalten bleiben.

Die Vermögensteuer war zu zwei Dritteln eine betriebliche Vermögensteuer. Wer die Realität des Wirtschaftslebens kennt, weiß, dass der Mittelstand zwischen betrieblichem und privatem Vermögen kaum praxistauglich trennen kann. Und wer die Erbschaftssteuer erhöhen will, vergisst, dass man alles, was man am Ende seines Lebens an seine Kinder und Enkelkinder vererben möchte, im Laufe dieses Lebens bereits x-mal versteuert wurde.

Jetzt streitet die Union über die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Es ist halt so: Auch die Union hat noch marktwirtschaftlichen Klärungsbedarf. Im Bundestag und im Bundesrat regiert noch immer eine Mehrheit der Verteilungsfürsten. Mehr als 800 Milliarden Euro hat der Staat insgesamt im letzten Jahr eingenommen. Wir brauchen keine neuen Steuererhöhungen in Deutschland, auch keine Mehrwertsteuererhöhung, wir brauchen Ausgabendisziplin.

Noch gefährlicher als der ökonomische Irrsinn, der in dieser Steuerpolitik liegt, ist das dahinter stehende Denken. Es ist das Denken in den Kategorien der Neidgesellschaft. Es ist Zeit, der Neidgesellschaft eine neue Anerkennungskultur entgegen zu setzen. Es ist zutiefst unfair, wenn jemand mit viel Risiko und Fleiß eine Firma aufbaut, dafür aber nur Neid erntet. Fair ist, wenn derjenige, der Besonderes leistet, auch besondere Anerkennung erhält.

In der Neidgesellschaft gibt es immer mehr Umverteilung. Das macht den Staat unfinanzierbar und die Menschen gewiss nicht glücklicher. Wer besonderes leistet, wer sich mit Haus und Hof, Haut und Haaren und endlosen schlaflosen Nächten seiner Arbeit verschreibt, den sollen weder Politik noch Gesellschaft mit Neid bestrafen, sondern mit Hochachtung auszeichnen.

Wir stehen vor der Neugründung unserer sozialen Sicherungssysteme. Der Reparaturbetrieb bei der Rente funktioniert nicht mehr. Diese Bundesregierung hat die Renten zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik real gekürzt und auch noch die so genannte Schwankungsreserve, also den Notgroschen der Rente aufgebraucht. Wenn jetzt nicht ein Systemwechsel erfolgt, werden regelmäßige Beitragssteigerungen und Rentenkürzungen folgen. Diese politischen Notoperationen ohne einen Systemwechsel sind unfair gegenüber der jetzigen Rentnergeneration, weil sie in Ansprüche eingreifen, die die Rentner im Vertrauen auf eine verlässliche Rente durch ihre Arbeit erworben haben. Für Liberale ist Rente kein Almosen, sondern die Gegenleistung für lebenslanges Arbeiten. Diese Politik ist unfair gegenüber der arbeitenden Generation, weil sie bei den Beiträgen weder Stabilität noch Entlastung bringt. Und diese Politik ist unfair gegenüber der jungen Generation, weil die soziale Sicherheit in Anbetracht der veränderten Altersstruktur unserer Gesellschaft nicht zukunftstauglich wird. Die Reformen der Bundesregierung sind keine solchen. Sie sind eher eine Belastung des Reformbegriffes. Wir müssen jetzt unser Rentensystem so umbauen, dass die Altersversorgung zur Hälfte auf einer beitragsfinanzierten gesetzlichen Grundsicherung und zur anderen Hälfte auf einer privaten oder betrieblichen kapitalgedeckten Altersvorsorge beruht. Nur so lassen sich Rentensicherheit, Beitragsstabilität und Generationenfairness erreichen.

Die gesetzliche Pflegeversicherung trägt auf Grund der demografischen Entwicklung ebenfalls den Sprengsatz immer weiterer Beitragserhöhungen in sich. Bei ihrer Einführung Anfang der 90er Jahre konnten wir uns nicht durchsetzen. Nun ist genau eingetreten, was wir vorausgesagt haben. Wir sollten jetzt wenigstens die Konsequenz ziehen und die gesetzliche Pflegeversicherung durch eine private, kapitalgedeckte Pflegeversicherung ersetzen.

Was im Gesundheitswesen als Jahrhundertreform bezeichnet wird, hat doch bestenfalls noch die Halbwertzeit von zwei, drei Jahren. Wir brauchen auch hier eine Neugründung unserer sozialen Sicherungssysteme. Nicht mehr Zwangskassen sind nötig, sondern mehr Versicherungsfreiheit. Nicht nur Rot-Grün, sondern auch maßgebliche Teile der Union sind für die Einführung einer Zwangskasse unter dem Decknamen „Bürgerversicherung“. Als ob ein Fass ohne Boden gefüllt werden könnte, in dem immer mehr Menschen gezwungen werden ihr Geld dort hinein zu schütten. Das Gefäß muss neu gezimmert werden. Die gesetzlichen Krankenkassen wollen wir in private Gesundheitsversicherungen überführen. Wir wollen also aus den gesetzlichen öffentlich rechtlichen Körperschaften private Unternehmungen machen, die in einem echten Wettbewerb zueinander stehen. An die Stelle der Pflichtversicherung setzen wir eine Pflicht zur Versicherung, bei der die Bürger selbst zwischen Anbietern und Tarifen für sich maßgeschneidert auswählen können. Wer in Deutschland schon mal von großen Koalitionen geträumt hat, ist seit dem großkoalitionären Gesundheitskompromiss ganz sicher bedient.

Wir Liberale wissen, dass die Neugründung unserer sozialen Sicherungssysteme eine Herkulesaufgabe ist. Deshalb ist sie auch nicht zu trennen von einer echten Steuerstrukturreform. Wer den Bürgern mehr Eigenverantwortung abverlangt, muss ihnen gleichzeitig durch Steuerentlastung und –vereinfachung den nötigen Spielraum dazu schaffen.

Und Politik muss das Vorleben, was sie selbst von den Bürgern verlangt. Eigenverantwortung kann vor Politikern nicht Halt machen. Politiker sind gewählte Mandatsträger auf Zeit. Sie sollten keine Pensionsansprüche durch Sonderrechte erwerben, sondern wie Freiberufler ihre Altersversorgung selbst regeln.

Und wenn der Staat von Bürgern und Unternehmen verlangt, sich dem Prinzip des Wettbewerbs zu stellen, darf er sich selbst nicht dem Wettbewerb entziehen. Deshalb treten wir Liberale für einen Wettbewerbsföderalismus ein, mit erkennbaren Verantwortlichkeiten. Dazu zählt die Abschaffung der Mischfinanzierungen zwischen Bund und Ländern. Klare Verantwortlichkeiten stärken die Bürgermacht. Mit anderen Worten: Wer die Musik bestellt, soll sie auch bezahlen. Und wer sie bezahlt, bestimmt auch das Lied, das gespielt wird.

Ob beim Privatisierungsgebot, der Steuerpolitik, dem Subventionsabbau, der Reform der sozialen Sicherungssysteme, oder dem Bürokratieabbau, dahinter steht ein liberales Staatsverständnis, das sich von denen der anderen Parteien unterscheidet. Der Staat muss dienen, nicht herrschen. Er soll nützen, nicht belasten. Was der Staat nicht regeln muss, das soll er auch nicht regeln dürfen.


Wir brauchen eine neue Anerkennungskultur. Für die Fleißigen, für die Leistungsbereiten und für die Engagierten im Beruf, in der Familie oder im Ehrenamt, aber wir brauchen auch ein klares Bekenntnis zu Eliten. Ich meine nicht irgendwelche Standes- oder Geldeliten. Ich meine Leistungseliten.

In der Wissensgesellschaft spielt die Leistungsspitze eine viel größere Rolle als in der alten Industriegesellschaft. Es geht darum, die Abwanderung von Forschern aus Deutschland zu stoppen und die international besten Köpfe für Deutschland zu gewinnen.

Inzwischen bekennt sich sogar ein sozialdemokratischer Bundeskanzler zur Eliteuniversität. Er hat deswegen die Gründung von fünf Elite-Universitäten in Deutschland ab 2006 verkündet. 50 Millionen Euro pro Hochschule sollen werbewirksam vor der Bundestagswahl 2006 verteilt werden. So stellen sich Sozialdemokraten Elite-Universitäten vor. Eine Staatsgründung mit mehr Geld. Spitzenleistungen in Bildung und Forschung kann der Staat nicht mit Geld kaufen. Spitzenleistungen wachsen durch Wettbewerb und Freiheit. Das planwirtschaftliche Denken wird nicht zum Erfolg führen. Entlasst die Universitäten in die Freiheit, setzt auf die Kraft der Freiheit, dann entstehen auch Spitzenleistungen.

Es beginnt damit, dass wir die zentrale Vergabestelle für Studienplätze abschaffen. Die Universitäten sollen sich ihre Studenten aussuchen können, und die Studenten sollen sich ihre Universitäten aussuchen können. Das Hochschulrahmengesetz muss so auch nicht bleiben. Bildung als Bürgerrecht heißt für Liberale: Jeder soll Zugang zur besten auf ihn zugeschnittenen Bildung, Ausbildung und Fortbildung erhalten. In Deutschland entscheidet längst wieder der Geldbeutel der Eltern über die Chancen des Kindes. Wer es sich leisten kann, kauft Computer für zu Hause, organisiert Nachhilfe gegen Unterrichtsausfall oder ermöglicht den Auslandsaufenthalt. Wir wollen unabhängige Schulen und freie Hochschulen.

Zu einer innovativen Gesellschaft gehört auch Forschungsfreiheit. In Deutschland überwiegt die Bedenkenträgermentalität. Wir brauchen aber zuerst ein klares Bekenntnis zu den Zukunftstechnologien. Bio- und Gentechnologie werden Gesellschaft und Wirtschaft mindestens ebenso verändern wie die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung. Wie für vieles gibt es dafür bei der Bundesregierung eine Kommission, die sogenannte Risiko-Kommission. Der Name ist Programm. Immer zuerst die Bedenken, dann erst die Chancen. Ich wünschte mir, dass die Bundesregierung von einer Chancen-Kommission beraten würde. Diese rot-grüne Regierung blockiert Gentechnologie, wo es geht. Ganz vorne sind die Grünen eine ideologisch verbohrte Truppe gegen den Fortschritt. Früher bremsten die Grünen durch Sitzblockaden, heute blockieren sie durch Gesetze

Hier in Dresden wendet eine junge Forscherin ihr in Amerika erworbenes Wissen zur Bekämpfung von Schädlingen im Obstbau an. Künftig kann bei Apfelbäumen Feuerbrand, Mehltau und Schorf ohne Chemikalien oder Antibiotika bekämpft werden, weil die Bäume durch Gentechnik resistent gemacht werden. Frau Künast verbietet nun gegen den Rat ihrer Experten den Feldversuch mit diesen Apfelbäumen.

Im Mai hat die EU gentechnisch veränderten Mais genehmigt. Das war die erste Genehmigung der EU seit 1989. Dieser gegen eine bestimmte Erkrankung resistente Mais wird seit Jahren in vielen Staaten außerhalb der EU bereits angebaut, auch zu uns importiert und verarbeitet. Deutschland hat sich bei der Mehrheitsentscheidung in der EU mutig der Stimme enthalten.

Die Grünen rufen jetzt „Gentechnikfreie Zonen“ aus, eine wie ich finde unerträglich ideologische Gleichsetzung von Gentechnik und Atomwaffen. Die zuständige Ministerin Renate Künast erklärt das in der Diskussion befindliche Gentechnik-Gesetz zu einem Gesetz „zum Schutz des Gentechnikfreien Anbaus in Deutschland“. Wir brauchen aber ein Gesetz zur Förderung der Gentechnologie in Deutschland. Auch wir wollen keine geklonten Menschen. Aber Gentechnik heißt auch Heilen und Helfen.

AIDS war im Jahr 2002 mit großem Abstand weltweit die Haupttodesursache der Menschen im Alter von 15 bis 59 Jahren. AIDS ist eine der großen humanitären Herausforderungen unserer Zeit. Wenn wir AIDS künftig durch gentechnischen Fortschritt bekämpfen können, dann müssen wir alles daran setzen, diesen Fortschritt zu erreichen.

Im letzten Monat verkündete die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen verstärkt darauf zu setzen, den Welthunger durch gentechnischen Fortschritt erfolgreicher bekämpfen zu können.

Natürlich muss man die Risiken abwägen. Aber wenn wir nicht die Chancen ergreifen, wenn wir der Gen- und Biotechnologie nicht Priorität geben
Aber wer nur die Risiken sieht, der verpasst auch alle Chancen.

Die Globalisierung entscheidet sich am Wettbewerb der Bildungssysteme. Globalisierung heißt nichts anderes als der weltweite Wettbewerb um die interessantesten Ideen und die intelligentesten Köpfe.

Deshalb muss aus der ungesteuerten und ungeregelten Zuwanderung endlich eine gesteuerte Zuwanderung werden. Wir brauchen im wohlverstandenen nationalen Interesse eine Steuerung der Zuwanderung. Deshalb haben wir Freien Demokraten in den Verhandlungen der letzten Woche eine Brücke der Vernunft gebaut. Der Durchbruch in den Zuwanderungsverhandlungen ist auch ein ganz entscheidender Verdienst der Freien Demokraten, der jahrelangen Arbeit von Max Stadler, unseren liberalen Justizministern in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Corinna Werwigk-Hertneck und Herbert Mertin. Wir wollen ein verbindliches Angebot für die Integration der Menschen, die dauerhaft nach Deutschland kommen können. Das setzt aber auch voraus, dass diejenigen, die in Deutschland bleiben wollen, das Integrationsangebot annehmen müssen. Wer zuwandern will, muss unsere Sprache lernen.

Und natürlich ist Zuwanderung von Sicherheitsfragen nicht zu trennen. Deswegen haben wir einer schnellen und zügigen Abschiebung von so genannten Hasspredigern oder Schleppern zugestimmt.
Eine Sicherungshaft, also bis zu zwei Jahre Gefängnis auf Verdacht, möglicherweise eines Geheimdienstes, konnten wir Liberale nicht akzeptieren. Die Union muss wissen, dass sie im Deutschen Bundestag nicht auf die Stimmen der Freien Demokraten zählen kann, wenn Sie die Axt an die Wurzel unserer Verfassung legen will, weil sie glaubt, so die Lufthoheit über den Stammtischen erobern zu können.

Es ist irreführend und unzulässig, den Fall Kaplan als Beleg für eine Sicherungshaft anzuführen. Was nutzen tausend neue Gesetze, wenn der zuständige Innenminister in Nordrhein-Westfalen sich nicht ausreichend um eine lückenlose Überwachung dieses Schwerkriminellen kümmert.

Der Fall Kaplan beweist doch gerade, dass es in Deutschland weniger ein Gesetzesdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit gibt.

Man wundert sich inzwischen, welche Debatten in Deutschland geführt werden können. Da müssen wir Liberale wachsam sein. Es ist grotesk, wenn sich Menschen Intellektuelle nennen, in Zeitungen und Interviews wieder die Folter rechtfertigen. Wenn ein Professor der Bundeswehr öffentlich im Fernsehen Folter legitimiert, dann nimmt ihm niemand sein Recht auf freie Meinungsäußerung, aber unsere jungen Soldaten soll er nicht länger ausbilden dürfen.

Hier sind zentrale Maßstäbe unseres Rechtstaates auf die schiefe Bahn geraten. Der Liberalismus ist das Immunsystem des Rechtsstaates.

Es ist gut, wenn mit DNA- Dateien Straftäter überführt werden. Aber Vorschläge, staatliche DNA-Dateien auf immer breitere Bevölkerungskreise auszudehnen, finden nicht unsere Unterstützung.

Und wenn die absolute Mehrheit der CDU in Hessen jetzt auf eine lückenlose, vollständige Überwachung aller Autofahrer durch den Staat setzt, dann zeigt sich doch, wie ein liberales Gegengewicht dieser Regierung fehlt. Und wenn der CSU-Generalsekretär im Frühjahr ein Ausgehverbot für Jugendliche nach 20.00 Uhr fordert, spricht daraus ein Staatsverständnis, mit dem sich Konservative wohlfühlen mögen, aber niemals Liberale.

Videoüberwachungen, nicht nur an gefahrvollen Plätzen, sondern flächendeckend, gewissermaßen von Haustür zu Haustür, zusammengenommen mit lückenlosen Bewegungsprofilen durch Kreditkartenbenutzung und Handytelefonaten, dass sind im Zeitalter von computergestützter Datenverarbeitung ganz neue Herausforderungen in der Innen- und Rechtspolitik. Die Verdreifachung der Telefonüberwachung seit 1997. Die Erfassung aller Autokennzeichen in Hessen und vielleicht auch bald die satellitengestützte Überwachung aller PKW, kann im liberalen Rechtsstaat nicht gerechtfertigt werden. Gerade als eine Partei, die sich zum technologischen Fortschritt bekennt, stehen wir Liberale an der Spitze der Bekämpfung des Missbrauchs oder der Schaffung von unkontrollierten Missbrauchmöglichkeiten. Wir sagen ja zu einer konsequenten Strafverfolgung, aber nein zu einem Generalverdacht gegen die gesamte Bevölkerung.

Zum Rechtsstaat gehört die Gewaltenteilung. Medien sollen die Politik und auch die Parteien kontrollieren, sie sollen Missstände aufdecken. Wenn aber Parteien sich einen eigenen Medienkonzern schaffen können und eine Tageszeitung nach der anderen kaufen, wird Meinungsvielfalt eingeschränkt und demokratische Kontrolle durch die vierte Gewalt verletzt. Das ist eine eklatante Verletzung der Gewaltenteilung in unserem Land und die Grünen schweigen dazu, weil sie ihrem Koalitionspartner nicht auf die Füße treten wollen. Die FDP ist und bleibt die einzige liberale Rechtsstaatspartei in Deutschland.

Ob beim Transrapid, der zivilen Verarbeitung von Plutonium oder bei der therapeutischen Gentechnik, die Grünen sind die Neinsager der deutschen Politik. Die Grünen sind die geistige Blockade gegen den technologischen Fortschritt. Die Grünen sind eben nicht liberal, sondern sie wollen die Gesellschaft als ideologische Besserungsanstalt organisieren. Sie stellen Autofahren unter steuerliche Strafe, wollen preiswerte Flugreisen verbieten und sind für ein entlarvendes Chaos beim Dosenpfand verantwortlich. Grüne verregeln und verriegeln. Deshalb sind die Grünen der natürliche Gegner einer Freiheitspartei.

Es ist schon erstaunlich, was bei manchem heute als liberal durchgeht. Auch das beweist die Notwendigkeit einer Wertedebatte. Werte wie Leistungsbereitschaft, Toleranz, Disziplin, Höflichkeit und Respekt gelten als altmodische Sekundärtugenden. Ich glaube, es sind Primärtugenden, die in der modernen Gesellschaft die Menschen zusammen bringen und zusammen halten. In Berlin gibt es ganze Straßenzüge, da ist keine einzige Häuserwand mehr ohne Graffiti. Ich halte das nicht, wie manche Grüne, für jugendliche Kreativität und künstlerische Selbstverwirklichung. Ich halte das für einen schlichten Werteverlust. Für ein Alarmzeichen, dass nämlich der Respekt vor dem Eigentum anderer verloren gegangen ist. Respekt vor dem Anderen, auch vor dem Anderssein und Andersleben ist eine der wichtigsten Tugenden in der freien und fairen Gesellschaft. Respekt vor der Leistung des Starken, Respekt vor der Menschenwürde des Schwächeren, das ist die liberale Form der Solidarität, die jeder Umverteilungsmechanik überlegen ist. Für uns sind Herzensbildung und Nächstenliebe nicht zuerst staatliche Dienstleistungen, sondern die respektvolle, ja liebevolle Zuwendung des Menschen zum Menschen.

Und diese Tugenden kann kein Staat, kein Politiker alleine organisieren. Hier kommt es auf die Bürger an. Auf die Familien. Der Staat muss Rahmenbedingungen für eine familienfreundliche Gesellschaft setzen. Von der Bildungspolitik bis zur Steuerpolitik, etwa in unserem Modell mit einem gleichen Freibetrag für alle Familienmitglieder, also ausdrücklich auch für die Kinder. Die Regierung feiert sich als Mäzen der Familien, wenn das Kindergeld erhöht wird. Die Regierung teilt einfach nur zu, was sie vorher mehrfach schon denselben Familien weggenommen hat, teuer durch einen Beamtenapparat einzieht, verwaltet und neu zuteilt.

Familien sind die wichtigsten Verantwortungsgemeinschaften in unserer Gesellschaft. Für Liberale kommt es da nicht auf den Trauschein an. Überall, wo Menschen auf Dauer füreinander Verantwortung übernehmen wollen, ist für uns Liberale der Schutz der Familie durch die Politik gefordert. Ob Ehen mit Kindern, Alleinerziehende, nicht-eheliche oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, für Liberale ist jede Verantwortungsgemeinschaft wertvoll, in der Menschen füreinander einstehen wollen.

Der Zusammenhang zwischen der inneren Liberalität einer Gesellschaft und ihrem ökonomischen Fortschritt, zwischen der stimulierenden Toleranz und der Leistungsbereitschaft, die aus Kreativität entsteht, er muss von den Liberalen immer wieder unterstrichen werden.

Die wirtschaftliche Freiheit und die gesellschaftliche Freiheit, sie sind keine Gegensätze. Wer nur einen Teil der Freiheit verteidigen will und jeweils den anderen Teil als nicht so schützenswert erachtet, der hat die Freiheit schon verspielt.

Leistungsbereitschaft, Weltoffenheit und Toleranz, sie bleiben unveränderliche Kennzeichen des Liberalismus.

Wir haben im letzten Jahr schwere Zeiten mit tragischen Augenblicken durchlebt. Wir haben heute unserem früheren Kollegen Jürgen W. Möllemann mit Würde und Respekt gegenüber dem Toten gedacht. Auch wenn wir am Schluss gegeneinander standen. Sein Engagement für die liberale Sache in den Jahren zuvor wird niemand verleugnen.

Wir haben schwere Zeiten durchlebt und ich will nicht verschweigen, dass ich auch selbst, ganz persönlich tief getroffen war und Zeit brauchte, um das alles zu verarbeiten.

Für die Solidarität aus unserer Partei bedanke ich mich aufrichtig. Ich danke für viele Ratschläge auch für manche kritische Bemerkung vor allem, wenn sie mir gesagt und nicht über die Medien gegeben wurden.

Jetzt stehen wir wieder gut aufgestellt und entschlossen da. Und wir sind geschlossener als manche Schlagzeile im Vorfeld dieses Parteitages vermuten lässt. Die 83 Mitglieder der FDP-Fraktion in der Bundesversammlung haben Professor Horst Köhler einstimmig unterstützt. Soviel Geschlossenheit war in der Vergangenheit nicht immer selbstverständlich für die freien Demokraten. Dafür möchte ich mich bei den Mitgliedern der Bundesversammlung herzlich bedanken. Professor Horst Köhler hat es uns Liberalen aber auch leicht gemacht, ihn zu wählen. Er steht für eine liberale Agenda, er setzt auf die Kraft der Freiheit, er kennt die Globalisierung, aber er weiß auch um ihre ethischen und moralischen Herausforderungen.

Wir stehen vor wichtigen Wahlen in diesem Jahr. In 8 Tagen wird das Europa-Parlament gewählt, der Landtag von Thüringen und in sechs Bundesländern stehen Kommunalwahlen an. Weitere Wahlen auch hier bei unseren Gastgebern in Sachsen folgen. Wir wollen und wir können sie erfolgreich meistern. Nach 10 Jahren Abwesenheit deutscher Liberaler im Europa-Parlament haben wir endlich wieder alle Chancen, dem nächsten Europa-Parlament anzugehören.

Die Thüringer FDP mit Uwe Barth an der Spitze wurde bei der letzten großen Umfrage des ZDF gestern Abend mit 5% eingeschätzt. Und die CDU ist weiter von einer absoluten Mehrheit entfernt denn je. Wir wollen mit einer Regierung aus CDU und FDP Thüringen Rot-Rot und dann womöglich noch gemeinsam mit den Grünen ersparen. Was Rot-Grün anrichtet, sieht jeder im Bund. Was Rot-Rot an Chancen kostet wissen unsere Freunde aus Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Unsere Wahlkämpfer, unsere Kommunalpolitiker, die sich ehrenamtlich für die Sache der Liberalen engagieren, sie wollen Rückendeckung durch gute Konzepte und richtungsweisende Beschlüsse dieses Parteitages.

Wir geben auch nach der Bundespräsidentenwahl unsere Unabhängigkeit nicht auf. Wir bleiben eine Alternative zu allen anderen Parteien in Deutschland. Aber wenn sich andere Parteien von der FDP entfernen, wie die SPD mit ihrer bürokratischen Ausbildungsplatzabgabe und erst recht die Grünen mit ihrer Dosenpfand-Ideologie, laufen wir ihnen nicht hinterher. Und wenn sich andere Parteien auf uns zu bewegen, wenn auch noch zu zaghaft, zu unverbindlich, laufen wir doch nicht weg. Wir wollen in diesem Jahr zeigen, dass es in Deutschland eine Mehrheit der Vernunft jenseits von Rot-Grün gibt. Und dann werden wir Rot-Grün in Kiel und in Düsseldorf im nächsten Jahr ablösen. Fällt Rot-Grün in Kiel und in Düsseldorf, dann fällt auch Rot-Grün in Berlin.

Wir verlassen uns nicht auf Neuwahlen vor 2006. Aber wir arbeiten mit all unseren Kräften daran, dass die rot-grüne Regierung durch Neuwahlen schon früher abgelöst werden kann. Jedes Jahr länger Rot-Grün ist ein verlorenes Jahr für Deutschland. Wer regieren will muss zeigen, dass er konkret besser regieren kann. Deshalb legen wir Liberale anders als die andere Oppositionspartei auch konkrete Alternativen zur rot-grünen Bundesregierung vor. Von der Steuerpolitik über die Rente, die Gesundheit, die Bildungspolitik, vom Arbeitsmarkt bis zur Außenpolitik, wir zeigen den Menschen die liberale Alternative.

Wir Liberale blicken nach vorne. Wir wollen regieren, weil Deutschland einen Neuanfang braucht. Wir können regieren, weil wir die Entschlossenheit und die Geschlossenheit dazu haben. Und wir werden besser regieren, weil wir auf die Kraft der Freiheit setzen. Wir sind die Kraft der Freiheit. Mehr davon braucht unser Land.


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