Rede von Bundesinnenminister Otto Schily in der abschließenden Beratung des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) am 1. Juli 2004 im Deutschen Bundestag
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen!
Ich habe allen Reden aufmerksam zugehört, da ich die Erwartung habe,dass alle - mit Ausnahme von Frau Kollegin Pau - dem Gesetzentwurf zustimmen werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass diejenigen, die sich am schwersten getan haben, dem Gesetz ihre Zustimmung zu verleihen, am weitläufigsten argumentieren, was ihnen alles an Veränderungen an der ursprünglichen Fassung gelungen sei. Ich will das jetzt nicht im Einzelnen diskutieren. Ich meine, wenn sich alle als Gewinner sehen, muss das Ergebnis gut sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Gesetz ist vor allem ein Gewinn für unser Land, für Deutschland.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es stärkt unsere Position im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe und dient den wirtschaftlichen Interessen unseres Landes. Es
mildert die Folgen der demographischen Entwicklung - der neu gewählte Bundespräsident hat uns gerade heute gemahnt, diese Entwicklung ernst zu nehmen -, es bremst den Zuzug in die sozialen Sicherungssysteme und es gibt uns die Möglichkeit, mit menschlichen Schicksalen auch menschlich umzugehen. Es verbessert die Integration all derer, die zu uns kommen, um hier zu leben und zu arbeiten. Nicht zuletzt erhöht es die Sicherheit unseres Landes, indem es jene, die hier Unfrieden stiften und Hass säen wollen, in die Schranken weist.
Meine Damen und Herren, ich zögere nicht mit folgender Aussage: Wie schon die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes ist auch das
Zuwanderungsrecht eine historische Zäsur.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Max Stadler [FDP])
Es ist ein weiterer Schritt Deutschlands zu einem modernen, freiheitlichen Staat mit einer weltoffenen Gesellschaft in einem vereinten Europa. Europäische Geschichte war und ist auch Migrationsgeschichte; das haben manche nicht mehr erkennen können. Sie reicht von der Völkerwanderung bis hin zum Massenexodus in die neue Welt im 19. Jahrhundert und endet nicht mit den Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen des vergangenen Jahrhunderts.
Heute ist Europa für Menschen aus aller Welt Anziehungspunkt, aber auch Zufluchtsort geworden. Wie viele andere europäische Länder ist Deutschland vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland geworden. Wenn wir uns die konkrete Situation von Einwanderern, die in unser Land kommen, vor Augen führen und uns damit beschäftigen, dann ist es vielleicht hilfreich, sich an die Situation deutscher Auswanderer bzw. Einwanderer in andere Länder zu erinnern.
Das neue Zuwanderungsgesetz, meine Damen und Herren Kollegen, ist Ausdruck der Erkenntnis, dass es in Deutschland seit vielen Jahren Zuwanderung gibt und auch in Zukunft geben wird. Es markiert damit
eine Grenze. Hinter diese Erkenntnis werden wir nie wieder zurückfallen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es ist Ausdruck der Erkenntnis, dass die Politik diese Tatsache nicht ignorieren kann, sondern die Realität aktiv gestalten muss.
Der parteiübergreifende Konsens bzw. die parteiübergreifende Einigung auf den Gesetzestext ist auch ein positives Zeichen politischer Vernunft. Ich bin sehr froh darüber, dass wir für das Reformvorhaben einen so breiten Konsens gefunden haben, weil damit das Thema Zuwanderung der polemischen, bisweilen sogar demagogischen
Überspitzung entzogen wird. Wie Herr Kollege Stadler richtig gesagt hat: Es kehrt ein Stück Rationalität in die Debatte ein. Auch das werden wir hoffentlich so weiterführen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, selbstverständlich - das gehört zum Wesen eines Kompromisses - hat jede Seite Zugeständnisse machen müssen. Das mag der eine triumphal und der andere nüchtern feststellen; es verringert den Wert des Kompromisses und des Reformprojektes jedoch nicht,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
weil in den Verhandlungen - das gestehe ich durchaus zu - auch Verbesserungen des ursprünglichen Entwurfs erreicht worden sind.
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr richtig!)
Allen, die konstruktiv an dem Gesetzesvorhaben mitgewirkt haben, sage ich ausdrücklich Dank. Allen voran danke ich dem Bundeskanzler Gerhard Schröder,
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Was hat der damit zu tun?)
dass er in der Schlussphase, als die Verhandlungen über den Gesetzentwurf zu scheitern drohten, in den von ihm geführten Spitzengesprächen die letzten Stolpersteine beiseite geräumt hat. -Herr Kollege Koschyk, ohne die Mitwirkung des Bundeskanzlers wäre der Kompromiss nicht zustande gekommen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Hartmut Koschyk
[CDU/ CSU]: Das hätten Sie auch alleine hingekriegt! Dafür hätten wir den Schröder nicht gebraucht!)
Meiner eigenen Fraktion, insbesondere Dieter Wiefelspütz, möchte ich ebenfalls Dank aussprechen. Ihnen danke ich für Ihre übergroße Geduld sowie für die stets vorhandene Kompetenz in allen Sachfragen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP - Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das heißt viel!)
Ich nehme für die sozialdemokratische Fraktion in Anspruch, die vernünftigste unter allen beteiligten gewesen zu sein.
(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU/ CSU - Dr. Dieter
Wiefelspütz [SPD]: Wo der Mann Recht hat, hat er Recht!)
Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für die sozialdemokratischen Innenminister, die sich in der Arbeitsgruppe für das nun vorliegende Ergebnis eingesetzt haben, also die Kollegen Buß, Behrens, Zuber, Thimm und Körting. Ebenso danke ich unserem Koalitionspartner, der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen
(Peter Müller, Ministerpräsident [Saarland]: Aber verhalten!)
- nein! -, dass er sich dem Kompromiss nicht verweigert hat, obwohl ihm - das muss man anerkennen - das an der einen oder anderen Stelle nicht leicht gefallen ist. - Herr Kollege Müller, ich möchte Ihnen hier deutlich widersprechen. Es stimmt zwar, dass zum Schluss nur noch wir, Sie, Herr Beckstein und ich, verhandelt haben; das war auch ganz gut so. Aber Sie können sicher sein, dass auch in dieser Phase die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen eng einbezogen waren. Sie sollten also keine Legenden in die Welt setzen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Virtuell waren sie dabei!)
- Nein, nicht nur virtuell! Ich habe sehr gute und hilfreiche Gespräche führen dürfen, für die ich mich ausdrücklich bedanke.
(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Jetzt nicht anfangen zu lachen!)
Auch der FDP, insbesondere dem Kollegen Stadler, danke ich für die stetige, zuverlässige und konstruktive Mitarbeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich glaube, Herr Stadler hat in diesem Zusammenhang ein besonderes, persönliches Lob verdient. Ich bedanke mich auch für die freundlichen
Worte an meine Adresse.
Da ich mit dem Ergebnis zufrieden bin, kann ich auch Ihnen von der CDU/CSU ein Lob nicht ersparen;
(Lachen bei der CDU/CSU)
denn dass Sie sich zu dem Kompromiss durchgerungen haben, ist für Sie sicherlich keine einfache Übung gewesen. Vielen Dank auch an Herrn Ministerpräsidenten Peter Müller und den Kollegen Beckstein.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielleicht verdienen diejenigen am allermeisten Dank, die sich in den gesellschaftlichen Gruppen in den verschiedenen Bereichen aktiv für dieses Projekt eingesetzt haben. Ich möchte an dieser Stelle noch
einmal an die großartige Arbeit der Kommission unter dem Vorsitz von Frau Kollegin Professor Süssmuth
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Keine Hand rührt sich bei der CDU/CSU!)
sowie an den Einsatz der Kirchen erinnern. Es hat mich sehr gefreut, dass ich jetzt gerade aus dem kirchlichen Bereich viel Post und viele mündliche Erklärungen erhalte, in denen uns allen zu diesem Erfolg gratuliert wird. Ich bedanke mich außerdem für die Unterstützung der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Kommunen. Ich glaube, dass gar nicht genug hervorgehoben werden kann, was an Unterstützung von den Gruppierungen einschließlich der humanitären geleistet worden ist.
Erlauben Sie mir ebenfalls, einen besonders herzlichen Dank an diejenigen zu richten, die wirklich herausragende Arbeit geleistet haben. Das ist das Dream-Team unter Leitung von Dr. Lehnguth in meinem Ministerium, dessen Ausdauer und fachlich ausgezeichnete Arbeit ich hier in besonderer Weise loben möchte.
(Beifall im ganzen Hause)
In Anbetracht der beschränkten Redezeit kann ich nur auf wenige, ausgewählte Punkte des Gesetzgebungsvorhabens noch einmal eingehen.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
- Ich sehe, wie Sie das quittieren. Vielleicht könnte man in der Geschäftsordnung künftig vorsehen, die Redezeit proportional zur Beratungsdauer eines Gesetzes festzulegen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ CSU und der FDP - Wolfgang Bosbach [CDU/ CSU]: Dann könnte die Sommerpause ausfallen!)
Ich will versuchen, die vier Kernbereiche dieses Gesetzes - Arbeitsmigration, humanitäre Regelungen, Integration und Sicherheit - anhand einiger Beispiele zu illustrieren. Die entscheidende Frage ist doch nicht, ob man irgendwo im Gesetzblatt etwas nachlesen kann, sondern: Was wird besser für die Menschen, was wird besser für unser Land?
Erstens: Arbeitsmigration. Zunächst einmal ist die Möglichkeit für hoch qualifizierte Menschen, nach Deutschland zu kommen, zu erwähnen.
Entgegen manchen Gerüchten, die immer wieder verbreitet werden, zählt Deutschland zu den attraktivsten Ländern. Der hohe Lebensstandard, Wohlstand und Sicherheit, eine dichte, reiche Forschungslandschaft, weltweit führende Industrieunternehmen und nicht zuletzt die Offenheit gegenüber fremden Kulturen, das sind wirklich hervorragende Argumente im Wettbewerb um die weltweit besten Köpfe. Das darf durch bürokratische Hürden nicht konterkariert werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Aber was macht beispielsweise der international angesehene Neurowissenschaftler aus Russland, der nach Berlin kommen möchte, um an der Freien Universität eine Forschungsgruppe zu leiten? Seine Frau ist als Sprachwissenschaftlerin tätig, seine beiden Töchter sind 16 und 17 Jahre alt. Nach geltendem Recht konnte ihm nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis gewährt werden. Der Arbeitsmarktzugang der Ehefrau war nur nach einer Wartezeit von einem Jahr möglich und die
Töchter durften gar nicht erst mit nach Deutschland kommen, da sie das bisherige Höchstalter für den Familiennachzug überschritten hatten.
(Jörg Tauss [SPD]: Das war CDU-Recht!)
Das waren nicht gerade attraktive Aussichten für einen hoch qualifizierten Wissenschaftler und deshalb würden wir im Wettbewerb unterliegen. In Zukunft aber kann er sofort einen Daueraufenthaltstitel in Form einer Niederlassungserlaubnis erhalten. Seiner Frau wird die Erwerbstätigkeit sofort gestattet und die Töchter dürfen natürlich mit nach Deutschland kommen, weil wir für Hochqualifizierte auch den Kindernachzug verbessert haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Da ist jetzt also der rote Teppich ausgerollt. Ich hoffe, dass viele ihn beschreiten werden.
Ebenso erhält die brasilianische Studentin, die ihr Architekturstudium an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen mit Bravour beendet hat, nun eine Perspektive, da sie bei einem
Architekturbüro eine Festanstellung erhalten könnte. Bisher hätte sie nach Abschluss ihres Studiums das Land verlassen und nach Brasilien zurückkehren müssen. In Zukunft darf sie die Beschäftigung in
Deutschland annehmen. Sie erhält sogar ein Jahr lang Zeit, sich einen entsprechenden Job zu suchen. Es wird unserem Land gut tun, dass wir hoch qualifizierte Studentinnen und Studenten nicht nach Hause, zum Beispiel nach Übersee, schicken müssen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Das wird sich positiv auswirken.
Mit dem Zuwanderungsgesetz wird Deutschland für hoch qualifizierte Ausländerinnen und Ausländer, die hier leben und arbeiten wollen, deutlich attraktiver. Das gilt auch für Selbstständige, deren Zuzug
und Aufenthalt erstmals gesetzlich geregelt wird.
Wir haben bei der Arbeitsmigration im Übrigen auch dafür gesorgt, dass niemand, der in Deutschland Arbeit sucht, zurückgesetzt wird. Niemand braucht in Deutschland Angst vor neuer Konkurrenz zu haben. Wir haben das Vorrangprinzip für alle in Deutschland Lebenden im Gesetz, übrigens in der Ursprungsfassung, sichergestellt. Deshalb ist jegliche
Propaganda, es werde etwas zulasten des deutschen Arbeitsmarktes bewirkt, falsch. Wir tun etwas für den Arbeitsmarkt, weil Weltoffenheit - nicht das Gegenteil - die Wirtschaft fördert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
An dieser Stelle folgt im Original-Dokument eine Tabelle. Um den Inahlt zu betrachten, begeben sie sich bitte zur Webseite
"http://www.bmi.bund.de/dokumente/Presse/ix_m82935.htm".]
Zweitens. Auch bei den humanitären Regelungen konnten wir nach Überwindung mancher Kontroversen schließlich für eine Vielzahl erheblicher Verbesserungen sorgen. Ein Beispiel ist der Fall einer
17-jährigen Frau, die mit viel Glück in letzter Sekunde dem Gemetzelrivalisierender Clans in Somalia entkommen konnte. Eine Anerkennung als Flüchtling mit einem entsprechenden Status war in Deutschland bisher nicht möglich. Nach dem Zerfall der staatlichen Institutionen und der funktionierenden Zentralgewalt fehlte das Merkmal der staatlichen Verfolgung. Es konnte nur eine Duldung erteilt werden. Diese junge Frau lebte in einem Zustand der beständigen Unsicherheit über ihre Zukunft. Was das gerade für die Seele eines jungen Menschen bedeutet, kann man nur nachvollziehen, wenn man versucht, sich da einmal mit der notwendigen Empathie hineinzufühlen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich bin wirklich froh darüber, dass es uns gelungen ist, gerade für solche Menschen die Möglichkeit eines verlässlichen Aufenthaltsstatus zu schaffen. Das ist ein großer Schritt nach vorne.
Das gilt nicht nur für die nicht staatliche Verfolgung, sondern auch, wie der Kollege Beck richtig hervorgehoben hat, für die geschlechtsspezifische Verfolgung. Wenn man an solche Verfolgungsschicksale denkt, dann, glaube ich, ist ein Moment des Innehaltens notwendig. Man muss sich klar machen, was durch das Gesetz für solche Menschen in der konkreten Situation an neuen
Zukunftsperspektiven bewirkt wird.
Dass wir die Kettenduldungen, die mit Recht immer als besonders
schlimmer Zustand angeprangert wurden, abschaffen, ist, finde ich, ein
großer Fortschritt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ich will auch die wichtige Verbesserung ansprechen, die im Gesetz in Form der Härtefallregelung vorgesehen ist. Ich teile die Auffassung, dass wir keine neue Gerichtsinstanz schaffen sollten. Aber die Härtefallregelung wurde gerade von Kirchen und von humanitären Organisationen immer wieder eingefordert. Wir alle kennen die Fälle, in denen der Wortlaut des geltenden Gesetzes nicht zu einem tragbaren Ergebnis führt. Ich schließe mich dem Appell an, dass die Länder von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen. Ich weiß, Herr Kollege
Müller, dass ich an Sie nicht appellieren muss; denn in Ihrem Landtag gibt es schon einen einstimmigen Beschluss, nach dem eine solche Härtefallregelung geschaffen werden soll.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Thomas Rachel [CDU/CSU])
Den dritten Punkt, die Integration, will ich nur kurz ansprechen. Hierbei muss ich schon besonders hervorheben, dass wir als Bund sehr viel an Kosten auf uns genommen haben. Der Bund, der nicht der in
erster Linie für die Integration Verantwortliche ist, nimmt hier eine große Kostenlast auf sich. Das ist ein großzügiges Angebot, ohne das der Weg zu einem Kompromiss nicht geebnet worden wäre. Herr Kollege Eichel ist zwar nicht mehr im Hause, aber ich möchte mich bei ihm doch sehr dafür bedanken, dass er daran mitgewirkt hat, dass das Ganze ermöglicht wird.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich bin in diesem Punkt ganz bescheiden und sage: Was wir in dem Bereich jetzt an Kursangeboten zur Verfügung stellen werden, in erster Linie für die Neuankömmlinge, aber in einem bestimmten Ausmaß auch für die so genannten Bestandsausländer - das sind solche Ausländer, die schon hier sind -, ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als der Einstieg in eine systematische Integrationspolitik, die jahrelang
versäumt worden ist. Wir dürfen einigermaßen stolz darauf sein, dass wir damit beginnen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Wir sind damit auch nicht am Ende. Wir haben in dem Gesetz vorgesehen, dass diese konzeptionelle Arbeit unter Führung des künftigen Bundesamtes für Migration, dem ich für seine neue Aufgabe viel Glück wünsche, fortgesetzt wird.
Viertens: Ein Wort zur Sicherheit. Ich glaube nicht, dass man die Sicherheit vernachlässigen darf. Die Sicherheitsaspekte gehören selbstverständlich dazu.
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Selbstverständlich!)
Ich habe eine Umfrage gelesen, nach der die Bevölkerung zu 80 Prozent der Meinung ist, dass auch die Sicherheitsgesichtspunkte im Ausländerrecht angemessen berücksichtigt werden müssen. Sie haben Recht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Deshalb ist es sinnvoll, dass wir uns in mühsamen Debatten auf vernünftige Regelungen haben einigen können.
Zum Teil haben sie rein deklaratorischen Charakter; das muss ich hervorheben: Die Regelung bezüglich der Hassprediger, die wir gebilligt haben und heute mitbeschließen werden, ist nur eine Konkretisierung des schon jetzt geltenden Rechtszustandes,
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr richtig!)
dass Personen, die eine Gefahr für die innere Sicherheit unseres Landes darstellen, selbstverständlich unser Land verlassen müssen.
Hierbei handelt es sich also um die Konkretisierung eines schon allgemein geltenden Grundsatzes. Ich möchte dabei schon einmal die Länder erinnern: Wenn es ein Gesetz gibt, müssen sie davon auch
Gebrauch machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielleicht ist in der Vergangenheit an der einen oder anderen Stelle versäumt worden, den Vollzug des Gesetzes durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz hat - wenn man so will - einen langen Leidensweg bzw. einen langen Arbeitsweg hinter sich. Es wurden sehr mühevolle, sehr anstrengende, zum Teil vielleicht auch zu Melancholie Anlass gebende Gespräche geführt. Gleichwohl sage ich: Nach diesen ungewöhnlich langen und äußerst schwierigen Verhandlungenverwirklichen wir heute ein bedeutendes Reformprojekt, das sich dann in der Praxis - das haben viele gesagt; das haben Herr Bosbach, Herr Beck und Herr Müller gesagt - bewähren muss. Es kann sogar sein - das schließe ich nicht aus -, dass sich erweisen wird, dass wir an der einen oder anderen Stelle noch einmal nachjustieren müssen. Es besteht aber seit Jahren ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, dass wir Zuwanderung aktiv gestalten müssen und Deutschland zu einem weltoffenen, modernen Land herausputzen müssen. Das Gesetz bietet dafür eine gute Basis. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)