Deutscher Bundestag – 133. Sitzung
Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort Kollegen Max Stadler, FDP-Fraktion.
Dr. Max Stadler: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grundlinie der FDP ist selbstverständlich diejenige, dass der Staat alles Notwendige tun und alle notwendigen Vorkehrungen treffen muss, um den Terrorismus so effektiv wie möglich zu bekämpfen, dass er sich dabei aber selbstverständlich im rechtsstaatlichen und grundgesetzlichen Rahmen bewegen muss. Ich glaube, da sind wir alle in diesem Haus einig.
(Beifall bei der FDP – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Selbstverständlich!)
Deshalb gehen wir an das Problem, das mit dem Antrag der CDU/CSU aufgeworfen wird, mit folgenden Überlegungen heran: Erstens. Wir brauchen natürlich einen besseren Informationsfluss zwischen den Sicherheitsbehörden.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Zweitens. Wir brauchen eine bessere Auswertung von Informationen und drittens eine bessere Koordinierung im Handeln.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
So gesehen nähern wir uns Ihrem Vorschlag eines gemeinsamen Lagezentrums durchaus mit Sympathie. Aber es sind auch zwei kritische Fragen zu stellen.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Jetzt gibt es das große „aber“!)
Die erste Frage – das werden wir in den Ausschussberatungen mit Praktikern gemeinsam zu erörtern haben – lautet: Ist es wirklich notwendig, eine neue Behörde oder eine neue Struktur zu schaffen? Wie steht es mit dem Informationsfluss innerhalb der bestehenden Behörden? Wir alle haben beim NPD-Verbotsverfahren die traurige Erfahrung gemacht, dass innerhalb der Verfassungsschutzbehörden und zwischen dem Verfassungsschutz und beispielsweise dem Bundesinnenministerium der Informationsfluss nicht gewährleistet war.
(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)
Die rechte Hand wusste nicht, was die linke tat. Das war eine der Hauptursachen für das Scheitern dieses Verfahrens. Bevor neue Behördenstrukturen geschaffen werden, muss also zunächst einmal der Informationsaustausch zwischen den bestehenden Behörden verbessert werden.
(Beifall bei der FDP – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Stimmt!)
Nächste Frage: Ist das, was in dem CDU/CSU-Antrag gefordert wird, nicht ohnehin längst Aufgabe des Bundeskriminalamtes?
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Theoretisch ja!)
Jedenfalls ist dies gesetzlich bereits so geregelt. Gegebenenfalls muss die gesetzliche Regelung nun zur Anwendung kommen. Eine weitere Frage: Gibt es nicht längst die Lagebesprechung im Kanzleramt mit den Geheimdienstchefs unter dem Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau, der in der Fachwelt und darüber hinaus hohes Ansehen genießt, weil er dieser Aufgabe ausgezeichnet gerecht wird? Bei alledem stellt sich in der Tat die Frage, ob man wirklich eine neue Behörde braucht. Wir werden der Schaffung einer neuen Behörde nur dann zustimmen, wenn sie uns von den Praktikern als zwingend dargelegt wird.
(Beifall bei der FDP – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und der Regierungskoalition, greift die Idee eines gemeinsamen Lagezentrums von Bund und Ländern auch in Überlegungen ein, die eigentlich Gegenstand der Beratungen der Föderalismuskommission hätten sein sollen.
(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: So ist es!) Dort ist aber nichts zu diesem Thema eingebracht worden, auch nicht von der Bundesregierung im Zusammenhang mit polizeilichen Aufgaben.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Gar nichts! Eine Nullnummer! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Frau Künast hat doch keine Ideen! – Gegenruf der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer lehnt denn ab? Das ist doch Herr Beckstein!) Das ist in der Tat ein Manko.
Ich komme jetzt zu einer Frage, die mir wichtiger ist als die organisatorischen Probleme; denn diese können wir in den Griff bekommen. Seit dem 14. April 1949, also seit 55 Jahren, gilt in der Bundesrepublik Deutschland der bewährte Grundsatz: Die Polizei darf keine Geheimdienstkompetenzen bekommen; die Geheimdienste dürfen keine polizeilichen Kompetenzen bekommen. Dabei handelt es sich um den allseits bekannten und bewährten Grundsatz der Trennung von Polizei und Geheimdienst, an dem wir festhalten wollen. Dieser Grundsatz ist in der Verfassung verankert. Herr Kollege Koschyk, Sie haben nach der Fundstelle gefragt. Der Grundsatz ist in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes formuliert. Genaueres können Sie in dem vorzüglichen Aufsatz von Christoph Gusy in Heft 2/1987 der „Zeitschrift für Rechtspolitik“ nachlesen. Ich erwähne das deswegen ausdrücklich, weil das Trennungsprinzip neuerdings in Verruf geraten ist. In der allgemeinen Debatte wird immer wieder angeführt, dass das Trennungsprinzip nicht länger notwendig ist. Wir als FDP meinen: Es muss möglich sein, der terroristischen Bedrohung auch unter Wahrung der rechtsstaatlichen Grundsätze – dazu gehört das Trennungsprinzip – Widerstand zu leisten.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Es geht schließlich nicht um Organisationsfragen, sondern um die Wahrung von Grundrechten. Wir müssten im Plenum keine langen Debatten mehr darüber führen, wann der große Lauschangriff zulässig ist und unter welchen Voraussetzungen Telefonüberwachungen stattfinden können, wenn sowieso jede Behörde ohne Beachtung dieser Voraussetzungen jede Information erhalten könnte. Deswegen ist es der richtige Weg, das Trennungsgebot aufrechtzuerhalten. Aber es ist durch die Pflicht zur Zusammenarbeit zu ergänzen.
(D) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht schon im Gesetz!)
Die entsprechenden Regelungen existieren längst. Die gesetzlichen Bestimmungen sind längst von diesem Hohen Hause geschaffen worden. Sie müssen nur noch in die Tat umgesetzt werden. Die Behörden sollen die Informationen bekommen, durch die sie in die Lage versetzt werden, den Terrorismus zu bekämpfen. Aber wir legen Wert darauf, dass dabei die traditionellen und bewährten Bestimmungen des Grundgesetzes beibehalten werden.
Vielen Dank.