Dr. Max Stadler Archiv Reden


Rede vom 17.02.2005

Anti-Terror-Gesetz

Dr. Max Stadler (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Anschlag von Madrid am 11. März 2004 hat auch in unserem Lande eine öffentliche Debatte über die Sicherheitsarchitektur eingesetzt. Der Föderalismus in Deutschland hat sich natürlich bewährt – als Bayer bin ich sozusagen ein geborener Föderalist –; aber er ist manchmal umständlich und unpraktisch, was die Zusammenarbeit der vielen Sicherheitsbehörden angeht, die es aufgrund unserer föderalen Struktur gibt. Deswegen ist auch von Bundesinnenminister Schily eine Debatte darüber angefacht worden, ob man eine Weisungsbefugnis des Bundeskriminalamts gegenüber den Landeskriminalämtern brauche. Dies schien uns nicht notwendig zu sein. Aber es ist völlig klar, dass wir einen verbesserten Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden brauchen. Dabei sollten wir allerdings nicht so tun, als gäbe es derzeit gar keine rechtlichen Regelungen für den Informationsaustausch. Sie existieren längst.
(Beifall bei der FDP)
Es kann nicht richtig sein, dass Polizeibehörden des einen Bundeslandes in der Praxis Schwierigkeiten haben, Erkenntnisse aus einem anderen Bundesland in ihre Arbeit einzubeziehen. Es kann auch nicht richtig sein, dass Verfassungsschutzbehörden der Länder mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz in manchen Fragen nicht hinreichend kooperieren.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Wir haben ja beim gescheiterten NPD-Verbotsverfahren gesehen, wohin die Abschottung solcher Behörden voneinander führt.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! Aber das darf ich nicht mehr sagen!)
Eine Hauptursache des Scheiterns dieses Verfahrens war, dass der Informationsfluss nicht so lief, wie es rechtlich möglich gewesen wäre.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion begrüßt daher ausdrücklich die Zielsetzung dieses Gesetzesantrags des Bundesrates, der meines Wissens auf einen Beschluss des von der FDP mitregierten Landes Niedersachsen zurückgeht.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf ich eine Frage stellen?)
– Ich möchte im Zusammenhang vortragen, Frau Kollegin.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie alles mit, was Niedersachsen macht?)
Wie man dann den verbesserten Informationsaustausch in der Praxis organisiert, scheint mir eher eine technische bzw. praktische Frage als eine ideologische Frage zu sein. Auch wenn ich im Sinne des Beitrags von Frau Stokar hier zur älteren Generation gehöre,
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich auch!)
habe ich doch so viel Fantasie, mir vorstellen zu können, dass es sich im Zeitalter des Computers und der Onlinezugriffe organisieren lässt, die Informationen der Polizeien von Bund und Ländern sowie der Nachrichtendienste so zu bündeln, dass es – mit welcher der vorgeschlagenen Methoden auch immer: Index- und Projektdatei oder Volltextdatei – zu einem schnellen Zugriff kommt. Gegen eine Volltextdatei spricht bekanntlich, dass die Nachrichtendienste wegen des Quellenschutzes, den sie auch beachten müssen, erhebliche Bedenken haben. Wir sollten uns im Ausschuss von Praktikern sine ira et studio beraten lassen und insbesondere die Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz in unsere Beschlussfassung einbeziehen.
(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)
Für die FDP ist ein Punkt jenseits der praktischen Fragen auf jeden Fall von entscheidender Bedeutung: Wir sind der Meinung, dass bei allen Maßnahmen zur Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung die bewährten rechtsstaatlichen Grundsätze strikt eingehalten werden müssen.
(Beifall bei der FDP – Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das ist nicht strittig!)
Zu diesen Grundsätzen gehört seit dem so genannten Polizeibrief vom 14. April 1949, den die drei westlichen Militärgouverneure damals Konrad Adenauer übermittelt haben, die Trennung von Polizei und Geheimdiensten.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das hat die FDP gerade in Niedersachsen aufgehoben!)
Es ist völlig müßig, darüber zu streiten, ob sich dieser Grundsatz aus der Verfassung ergibt – ich meine, ja, nämlich aus dem Rechtsstaatsprinzip – oder ob er seit 50 Jahren nur praktisch angewandt wird. Auf alle Fälle ist dies kein überholtes historisches Relikt, sondern weiterhin ein wichtiger Bestandteil der rechtsstaatlichen Gefahrenabwehr.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genauso ist es!)
Das sieht übrigens auch Generalbundesanwalt Kay Nehm so.
(Beifall bei der FDP – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht auch der Innenminister so!)
Meine Damen und Herren, der Trennungsgrundsatz bedeutet allerdings nicht, dass es keinen Informationsaustausch zwischen der Polizei und den Nachrichtendiensten geben dürfe.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Ganz im Gegenteil: Die Regelungen dafür existieren längst, etwa in § 17 des Bundesverfassungsschutzgesetzes.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch im BKA-Gesetz!)
Deswegen ist die Leitlinie der FDP für die Ausschussberatungen völlig klar: Wir wollen erstens eine wirksame Terrorismusabwehr, treten daher zweitens für einen verbesserten Datenaustausch ein und wollen drittens die strikte Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze. Wir sind der Meinung, dass alle drei Ziele vernünftig erreichbar sind.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Da sind wir uns ja einig!)


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