Dr. Max Stadler Archiv Reden


Rede vom 24.02.2005

Spätaussiedler

Dr. Max Stadler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre sehr reizvoll gewesen, wenn wir vor der heutigen Debatte eine kurze Pause hätten machen können, um ein kleines Experiment durchzuführen. Man hätte die Zuhörer, auch wenn es zu dieser Abendstunde nicht mehr allzu viele sind, fragen können, ob sie der Meinung sind, dass jeder Bürger in Deutschland frei entscheiden darf, in welcher Stadt bzw. in welcher Kommune er wohnen möchte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Antwort in allen Fällen Ja gewesen wäre. Auch wenn man nicht das Grundrecht auf Freizügigkeit, verbrieft in Art. 11 des Grundgesetzes, kennt, entspricht dies doch dem allgemeinen Rechtsbewusstsein. Es erscheint eher ein Merkmal eines anderen Staatswesens als das einer freiheitlichen Demokratie, wenn der Staat befiehlt, wo man seine Wohnung zu nehmen hat.
Die Regelung, dass für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, nämlich für die Spätaussiedler, dieser selbstverständliche Grundsatz der freien Wohnsitzwahl nicht gilt, war schon immer ein Fremdkörper in unserem Rechtssystem. Pro forma haben zwar auch diese das Recht, ihren Wohnsitz selbst zu wählen. Faktisch aber besteht für sie der Zwang, den Wohnsitz zu wählen, der ihnen zugewiesen worden ist, weil ansonsten staatliche Leistungen, auf die sie in der Anfangszeit angewiesen sind, nicht gezahlt werden würden.
Die FDP hatte immer Bedenken, einem solchen grundrechtseinschränkenden Gesetz zuzustimmen. Wir haben dies in der alten Koalition mit der CDU/CSU nur auf ausdrücklichen Wunsch vieler Kommunen getan – die SPD hat ebenfalls zugestimmt –, die der Meinung waren, für eine Übergangszeit müsse man aus bestimmten Gründen eine solche Notlösung akzeptieren.
Nachdem Rot-Grün an die Regierung gekommen war, ist die Übergangszeit abgelaufen. Trotzdem hat der Bundestag dieses fragwürdige Gesetz noch einmal verlängert. Die FDP konnte da nicht mehr mitmachen, weil es keine Gründe für eine Verlängerung gab.
(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Aber die Grünen!)
Wir sind deswegen froh, dass uns das Bundesverfassungsgericht jetzt aufgegeben hat, einige Korrekturen vorzunehmen, damit wenigstens Härtefälle beseitigt werden können. In der Vergangenheit war es so, dass aufgrund dieses Eingriffsgesetzes Familien und Ehepartner auseinander gerissen werden konnten. Kinder konnten nicht an dem Wohnort ihrer Eltern leben. Ich frage mich daher, ob es wirklich ein Ruhmesblatt für den Deutschen Bundestag ist, dass Karlsruhe uns aufgeben muss, diesen Zustand zu beseitigen. Hätten wir nicht selber darauf kommen können?
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Da nun aber aufgrund der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts diese Härten mit dem heutigen Gesetz beseitigt werden, stimmt die FDP dem selbstverständlich zu. Denn es bewirkt eine Verbesserung der Situation der Betroffenen. Ich mache aber noch einmal deutlich: In einem freiheitlichen Land sollte wirklich jeder die Möglichkeit haben, seinen Wohnsitz selber zu wählen.
(Beifall bei der FDP)


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