Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 14.12.2005

''CIA-Debatte''

7. Sitzung des Deutschen Bundestages

Berichte über angebliche Gefangenentransporte sowie Verbringung deutscher bzw. anderer Staatsangehöriger durch US-Stellen und das Verhalten von Bundesdienststellen in diesem Zusammenhang

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Dr. Max Stadler, FDP-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Dr. Max Stadler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die Darstellung von Minister Steinmeier zu den vielfältigen Aktivitäten – sie wurden im Detail geschildert – gehört hat, die ergriffen wurden, nachdem sich der Anwalt von Herrn el-Masri an die Bundesregierung gewandt hatte, stellt man sich umso mehr die Frage, warum die Bundesregierung uns so lange Zeit darauf vertrösten wollte, dass derlei ausschließlich in einem geheim tagenden Gremium des Deutschen Bundestags zu erörtern sei. Das ist schlichtweg unverständlich.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diese Debatte ist aber in Wahrheit keine Auseinandersetzung zwischen Opposition und Regierung im herkömmlichen Sinne; diese Debatte ist ein gemeinsames Bemühen des gesamten Parlaments um den Rechtsstaat. Denn das ist der Kern der Themen, die uns bewegen: Wie bewältigen wir die Abwehr terroristischer Bedrohungen, ohne den bewährten Rechtsstaat des Grundgesetzes preiszugeben? Um diese Frage geht es.
(Beifall bei der FDP)
Wenn wir das Thema so angehen, dann verfolgen wir dasselbe Ziel wie diejenigen in der amerikanischen Gesellschaft und im Kongress, die ebenfalls anstreben, ausschließlich mit rechtsstaatlichen Methoden in der Terrorismusabwehr zu arbeiten. Dies zeigt die begrüßenswerte Initiative von Senator McCain.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Bestrebungen in den USA sind deshalb für uns so wichtig, weil wir selbstverständlich die weitere Zusammenarbeit mit den amerikanischen Behörden gerade auch in diesem Bereich brauchen, weil wir sie wollen und weil wir den Informationsaustausch zwischen den Geheimdiensten zur Abwehr terroristischer Gefahren benötigen.
(Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr richtig!)
Aber wir sagen auch klipp und klar, was dabei nicht geht: Verschleppung und Folter sind als Methoden der Gefahrenabwehr absolut nicht hinnehmbar.
(Beifall im ganzen Hause)
Deshalb, Herr Minister Steinmeier, war es mir zu wenig, als ich neulich die Äußerung von Ihnen gelesen habe, die Bundesregierung habe bei den ganzen Vorgängen gegen keinerlei Vorschrift verstoßen. Das reicht manchmal nicht aus; manchmal muss man im privaten Leben, aber auch in der Politik mehr tun, als nur nicht gegen Vorschriften zu verstoßen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ob die alte Bundesregierung in diesem Sinne im konkreten Fall el-Masri genug getan hat, können wir auch nach der heutigen Information nicht abschließend bewerten. Die Darlegungen in den Ausschüssen waren von Zeitnot geprägt; dort konnten nicht alle Fragen angesprochen werden. Sie haben jetzt im Plenum Ausführungen gemacht, die aber in einem gewissen Widerspruch zu den Klagen stehen, die man aus der Münchener Staatsanwaltschaft hört, wo es noch gestern hieß, dass man von den Bundesbehörden immer nur höre, sie wüssten auch nichts.
Es gibt noch viele offene Detailfragen. Wenn man genau hinhört, erkennt man, dass immer vom Verhalten der Bundesbehörden die Rede ist, die keine Informationen nach außen gegeben hätten. Was war denn mit den Landesbehörden? Neu-Ulm liegt bekanntlich in einem Bundesland,
(Ute Kumpf [SPD]: Bayern!)
einem sehr schönen noch dazu. Da muss man nachfragen. Wieso stellt die angesehene „Washington Post“ den Zeitablauf anders dar, als es der ehemalige Minister Schily getan hat? Manches ist einem nach wie vor rätselhaft. Wieso soll es fünf Monate gedauert haben, bis eine angebliche Personenverwechslung aufgedeckt und aufgeklärt worden ist? Gab es in diesen fünf Monaten Rückfragen bei den deutschen Behörden, wer denn el-Masri sei? Warum wurde jemand, der monatelang verschwunden ist, von niemandem als vermisst gemeldet?
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Auch von Ihnen nicht! Auch Sie haben ihn nicht als vermisst gemeldet, Herr Stadler!)
Das sind ganz einfache Fragen, die man stellen muss.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das sind Detailfragen, die uns aber nicht vom Kern des Problems ablenken. Denn vom damaligen Bundesinnenminister Schily selber wird berichtet, dass er im Februar 2005 erfolglos bei amerikanischen Behörden interveniert habe; erfolglos in dem Sinne, dass er keine Zusicherung erhalten hat, dass sich eine solche Verschleppung nicht wiederholen wird.
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr wichtige Frage! Ja, genau so!)
Da stellt sich natürlich die Frage: Wie ist denn eine solche Reise eines Bundesministers zu einem so brisanten Thema in der alten Bundesregierung vorbereitet worden? Was war die Linie des Auswärtigen Amtes und des damaligen Bundesaußenministers, der in der heutigen Debatte leider nicht anwesend ist? Wie ist über die erfolglose Mission berichtet worden und welche Folgerungen hat man daraus gezogen, was man zu tun hat, damit sich solche Rechtsverletzungen nicht wiederholen?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Wir müssen uns noch einmal klar machen: Es ging hier um massive Rechtsverstöße. Jeder, der verhaftet wird, hat gewisse Rechte. Er darf einen Anwalt wählen. Er darf Kontakt zu seiner Familie aufnehmen, wenigstens brieflich. Wenn er im Ausland inhaftiert wird, kann er konsularischen Schutz durch die Bundesregierung beanspruchen. Im konkreten Fall el-Masri war es so, dass ein deutscher Staatsangehöriger über Monate rechtlos gestellt worden ist.
Jetzt komme ich zu meinem Ausgangsgedanken zurück. Es reicht eben nicht, nicht gegen Rechtsvorschriften zu verstoßen.
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)
Man muss eine öffentliche Debatte beginnen, die einem solchen Vorgang ganz klar widerspricht.
(Beifall bei der FDP und der LINKEN)
Denn jede stillschweigende Hinnahme von Verschleppung und Folter würde dazu beitragen, dass unser Grundkonsens in Gefahr geriete, den wir alle in diesem Parlament haben, nämlich dass wir uns bei der Bekämpfung terroristischer Gefahren strikt an das Grundgesetz und an die Grundrechte halten.
(Beifall bei der FDP)
Ich sage Ihnen Folgendes: Bei unseren Auseinandersetzungen um Schily I und Schily II, die wir hier im Plenum ausgetragen haben, ging es um Abwägungsfragen. Aber wir als FDP haben immer entschieden widersprochen, wenn beim Thema Folter in öffentlicher Debatte plötzlich keine Prinzipienfestigkeit mehr zu spüren war; übrigens gibt es Staatsrechtler, die Folter wieder für zulässig halten. Wir haben – auch im Parlament – entschieden widersprochen,
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wem werfen Sie das vor?)
wenn Vorschläge wie die Einführung einer verfassungswidrigen Sicherungshaft gemacht wurden. Wir haben ganz klar widersprochen, wenn die These vom Feindstrafrecht aufgetischt wurde, nach der man in einer solchen Situation die normalen Rechtsregeln außer Kraft setzen müsse, um der jeweiligen Gefahr zu begegnen.
Das Entscheidende ist: Wir müssen die Debatten über Einzelfälle wie Guantanamo und die dortigen Vernehmungen sowie über den Fall el-Masri dazu nutzen, den Grundkonsens zu bekräftigen, dass in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland, auch wenn es um die Abwehr von Gefahren geht, in jedem Fall die Grundrechte eingehalten werden.
(Dr. Peter Struck [SPD]: Das stellt doch niemand infrage!)
Darin sind wir uns einig.
(Beifall bei der FDP – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Ja! Genau das hat der Außenminister auch getan!)
Daran dürfen wir keinen Zweifel aufkommen lassen, –
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Daran hat doch niemand Zweifel!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Dr. Max Stadler (FDP):
– indem wir zum Beispiel bei Vorgängen, die nicht erträglich sind, schweigen. Das Entscheidende an dieser Debatte ist also, dass wir diesen Grundkonsens bekräftigen.
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Ja!)
Für die Beantwortung der Einzelfragen brauchen wir noch weitere Informationen. Daher tagen die Ausschüsse auf unseren Wunsch und auf den Wunsch anderer morgen weiter. Wir als FDP behalten uns alle parlamentarischen Schritte vor, die notwendig sind, um diese Fragen zu klären.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
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