Dr. Max Stadler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn dieser Woche haben wir uns alle über die Besorgnis erregende Meldung erschrocken, dass die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten stark angestiegen ist. Das hat daran erinnert, dass es einmal ein NPD-Verbotsverfahren gegeben hat, das im Wesentlichen daran gescheitert ist, dass die eine Sicherheitsbehörde nicht wusste, was die andere gemacht hat. Ein solches Fiasko können wir uns bei der Terrorismusabwehr nicht leisten.
(Beifall bei der FDP und der SPD)
Deswegen sagt die FDP: Im Prinzip ist es richtig und vernünftig, wenn man die vorhandenen Daten besser miteinander vernetzt.
(Clemens Binninger (CDU/CSU): Sehr gut!)
Dabei sind aber selbstverständlich rechtsstaatliche Prinzipien zu beachten. Lieber Kollege Frank Hofmann, in der Rede war vorhin ein Satz, der noch einmal überdacht werden sollte:
Auch wir würden gern die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger ... um die Grundrechte herum bauen. Das aber geht an der Realität vorbei.
Eine solche Position darf nicht Ausgangspunkt einer Debatte über innere Sicherheit im Deutschen Bundestag sein.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit diesem sehr schiefen Ansatz gerät man nämlich in die Nähe derer, die die Einhaltung von Grundrechten als ein Hindernis für die innere Sicherheit betrachten. Richtig ist doch, dass wir die innere Sicherheit auf den Grundrechten aufbauen müssen. Das ist der richtige Ansatz.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben Zweifel, ob das mit dem Gesetzentwurf zur Errichtung gemeinsamer Dateien gelungen ist. Frau Piltz hat die Kritikpunkte genannt, insbesondere die Möglichkeit, in einem Eilfall Informationen zu erhalten, die aus guten Gründen bei den Geheimdiensten bleiben müssten und nicht für die Polizei geeignet sind. Diese Möglichkeit, in Eilfällen die normalen Regeln zu umgehen, kann so nicht bestehen bleiben.
(Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Haben Sie eine bessere Idee, Herr Stadler?)
In der Sachverständigenanhörung muss in dieser Sache Klarheit geschaffen werden. Dort brauchen wir Änderungen, um nur einen Punkt zu nennen.
Nun haben Sie heute die Verlängerung der so genannten Schily-Kataloge mit auf die Tagesordnung gesetzt. Ich halte es für ein unangemessenes Verfahren, zwei so wichtige Gesetzesvorhaben in einer knappen Debatte abzuhandeln.
(Beifall der Abg. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Nur ganz kurz: Kollege Wieland, dass Ihnen ein Lapsus Linguae unterlaufen ist, erklärt sich daraus, dass Sie dem Gesetzentwurf vor fünf Jahren zugestimmt haben. Sie konnten Ihrer Anhängerschaft dies nur plausibel machen, indem Sie gesagt haben: Das Gesetz gilt nur befristet und wird später evaluiert.
(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wollten wir ja auch!)
Jetzt sehen wir: Eine Evaluierung, die derjenige macht, der das Gesetz selber geschrieben hat,
(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist nichts wert!)
ist das Papier nicht wert, auf der sie geschrieben wird.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen in Zukunft zu neuen Regeln kommen und zu einer neuen Qualität, also zu einer echten Evaluierung, die externen Sachverstand und Bürgerrechtler einbezieht.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Stadler, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hartmann?
Dr. Max Stadler (FDP):
Ja, für die bin ich sehr dankbar. Denn sonst hätte ich meine Rede jetzt beenden müssen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte schön, Herr Hartmann.
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD):
Herr Stadler, wir arbeiten ja in der Innenpolitik und im Untersuchungsausschuss gut zusammen. Deshalb hab ich mit Bedauern gesehen, wie knapp Ihre Redezeit bemessen ist.
(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin (FDP))
Ich möchte Ihnen mit meiner Zwischenfrage die Chance geben, diese zu verlängern. Ich habe aber natürlich vor allem und zuerst ein drängendes Fragebedürfnis.
Sie haben darauf hingewiesen, wie kritisch manches aus Ihrer Sicht zu bewerten ist. Ich habe aber auch sehr wohl verstanden, dass Sie trotz dieser kritischen Anmerkungen bereit und willens sind, den Gesetzgebungsprozess der grundsätzlichen Notwenigkeit wegen weiter positiv zu verfolgen. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen: Wir haben den Datenschutzbeauftragten sehr eng in beide großen Gesetzgebungsverfahren eingebunden, übrigens auf Bitten des Kollegen Hofmann. Finden Sie es nicht mit uns gemeinsam positiv, dass der Datenschutzbeauftragte diesem Gesetzgebungsverfahren, und zwar so, wie wir es heute einbringen, grundsätzlich positiv und offen gegenübersteht?
Dr. Max Stadler (FDP):
Lieber Herr Kollege Hartmann, Ihre Freundlichkeit mir gegenüber ist heute wirklich grenzenlos. Sie geben mir Gelegenheit, die Sprache noch einmal auf einen ganz wichtigen Punkt zu bringen.
(Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Habt ihr das abgesprochen?)
Sie sagen zu Recht, dass der Datenschutzbeauftragte dem Gesetzgebungsvorhaben im Grundsatz zustimmt. Wir vertreten Frau Piltz hat es ausgeführt hinsichtlich der Zentraldatei die Auffassung, dass ein Index das Richtige ist, weil man das System nicht komplett ändern darf. Geheimdienste in der Bundesrepublik Deutschland dürfen viel und dies ohne richterliche Erlaubnis. Die Polizei ist dazu berufen, konkrete Gefahren abzuwehren, und sie unterliegt bei ihren Eingriffen engen Grenzen, insbesondere sind vielfach richterliche Vorbehalte zu beachten. Solche Systeme kann man nicht beliebig vermischen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Es muss bei den bewährten Regeln des Datenaustausches bleiben. Eine solche neue Datei kann, wie Kollege Bosbach versprochen hat, eigentlich nur den Sinn haben, dass die Technik verbessert
(Klaus Uwe Benneter (SPD): So ist es!)
und der Austausch schneller wird. Aber die grundlegenden Prinzipien müssen erhalten bleiben. Ihre Frage gibt mir Anlass, noch einmal darauf hinzuweisen, dass dies nach Meinung der FDP im bisherigen Entwurf nicht gewährleistet ist.
Um Ihre Frage umfassend zu beantworten,
(Heiterkeit)
weise ich darauf hin, dass ein letzter Punkt ebenfalls noch nicht gewährleistet ist. Er ist aber ganz entscheidend. Durch das, was von der großen Koalition vorgeschlagen wird, bekommen die Geheimdienste im Vergleich zu dem, was Herr Schily seinerzeit im Eiltempo durchgesetzt hat, noch mehr Eingriffsbefugnisse. Es ist doch das Logischste auf der Welt, dass man als Gegengewicht die Kontrolle der Geheimdienste verbessern muss.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Sie haben noch nichts zum Datenschutzbeauftragen gesagt!)
Ich verstehe nicht, Herr Kollege Hartmann, warum sich die große Koalition weigert, sich den entsprechenden Gesetzentwürfen der Opposition anzuschließen. Die FDP hat längst einen Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle der Geheimdienste eingebracht. Wenn Sie den Geheimdiensten erneut weitere Befugnisse übertragen wollen, wäre jetzt der richtige Moment, auch ihre Kontrolle zu verbessern. Denn das ist dringend notwendig.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Jetzt musst du noch die Frage beantworten! Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein! Nicht vorbeugend noch nicht gestellte Fragen beantworten!)
Damit ist Ihre Frage, wie ich glaube, umfassend beantwortet.
(Heiterkeit - Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Die ist überhaupt noch nicht beantwortet!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Stadler, nach dieser, wie es die Geschäftsordnung vorschreibt, kurzen und präzisen Antwort bitte ich Sie, zum Schluss zu kommen.
Dr. Max Stadler (FDP):
Mein Schlussgedanke lautet: Wir müssen uns des Gedankens bewusst werden, dass es auch einen Grundrechtsschutz durch Verfahren gibt. Dieser Grundrechtsschutz durch Verfahrensbestimmungen bzw. durch Kontrolle ist in den vorliegenden Gesetzentwürfen noch nicht hinreichend berücksichtigt. Deswegen müssten wir in den Ausschüssen noch jede Menge Nachbesserungen vornehmen, wenn wir am Ende des Gesetzgebungsprozesses tatsächlich zustimmen können sollen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)