Dr. Max Stadler Archiv Reden


Rede vom 20.09.2007

Pressefreiheit

Rücknahme der Ermächtigung zur Strafverfolgung von Journalisten wegen Verstoßes gegen Geheimhaltungsvorschriften gemäß § 353 b des Strafgesetzbuches

Dr. Max Stadler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selten habe ich jemanden so wortreich wie Sie, Herr Kollege Dressel, am Thema vorbeireden hören,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
sodass es mich wirklich reizen würde, hier in eine juristische Fachdebatte einzutreten. Das würde aber ebenfalls am Kern der Sache vorbeigehen. Heute geht es nämlich aufgrund der Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP-Fraktion darum, dass der Deutsche Bundestag eine Gelegenheit zu einer Klarstellung wahrnimmt, die dringend notwendig ist.
(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)
Der Deutsche Bundestag legt selbstverständlich Wert darauf, dass die eigenen Verfahrens- und Geheimhaltungsregeln von denen eingehalten werden, die zu dieser Geheimhaltung verpflichtet sind.
(Beifall der Abg. Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU] und Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Aber der Deutsche Bundestag will nicht, dass durch Strafverfahren in die Pressefreiheit eingegriffen wird. Das könnte mit einer Zustimmung zu unseren Anträgen heute hier vom Hohen Haus klargestellt werden.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen ganz offen: Als derzeitiger Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums bin ich sogar sehr stark daran interessiert, dass Geheimhaltungsregeln strikt beachtet werden. Man macht da aber übrigens so seine eigenartigen Erfahrungen: Vor gut zwei Wochen wurden drei Personen verhaftet, die im Verdacht stehen, fürchterliche Bombenanschläge geplant zu haben. Dazu konnte man aus der Presse Details aus den Ermittlungsverfahren erfahren, ehe auch nur ein einziges parlamentarisches Gremium über die Vorgänge informiert worden war.
(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Hört! Hört!)
Das zeigt: Die Verantwortung dafür lag bei anderen, jedenfalls nicht bei Parlamentariern. Das wollte ich nur einmal zu der Praxis sagen, mit der wir uns hier beschäftigen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Gleichwohl verstehe ich, dass unser Kollege Siegfried Kauder als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses für den von ihm geleiteten Ausschuss das gleiche Inte-resse verfolgt, welches ich für das Kontrollgremium in Anspruch nehme: nämlich die Einhaltung der Geheimhaltungsregeln. Deswegen war seinem Vorschlag zuzustimmen, dass bei Verletzung der Geheimhaltungsregeln mit entsprechenden Ermittlungsverfahren gegengesteuert wird. Die FDP hat aber bei ihrer Zustimmung von Anfang an klargestellt: Wir wollen nicht, dass sich solche Verfahren gegen Journalisten richten, die nur ihrer Pflicht zur Information der Öffentlichkeit nachkommen.
Wir sind der Meinung – das will ich jetzt aus Zeitgründen juristisch nicht näher begründen; die Fachleute wissen es sowieso –, dass sich Journalisten nach geltendem Recht ohnehin nicht wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat strafbar machen, wenn sie Informationen, die sie erhalten haben, publizieren. Vielmehr sind die diejenigen als Täter zu verfolgen, die den Geheimnisverrat begangen haben.
Diese Auffassung, die wir, gestützt auf gewichtige Stimmen in der Strafrechtsliteratur, vertreten, wird aber offenkundig nicht von allen geteilt. Deswegen bestand von Anfang an die Gefahr, dass sich eine undifferenzierte Ermächtigung zur Strafverfolgung dann auch gegen Journalisten richtet. Leider ist es genau so gekommen, weil der Herr Bundestagspräsident die Ermächtigung nicht beschränkt hat. Er hätte die Journalisten von der Ermächtigung ausnehmen können; das wäre rechtlich zulässig gewesen. Das hat er aber nicht getan.
Da der Bundestagspräsident damit nur dem Willen der Großen Koalition entsprochen hat, richtet sich unser Antrag nicht etwa gegen den Bundestagspräsidenten;
(Lachen des Abg. Joachim Stünker [SPD])
im Gegenteil: Wir wollen, dass das Parlament ihm heute den Rücken stärkt, sodass er die erteilte Ermächtigung in Bezug auf die Journalisten zurücknimmt.
(Beifall bei der FDP – Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Sie wollen ein Gesetz als Korrektiv!)
Wir sind es, die ihm diesen Willen des Parlaments vortragen müssen. Dies ist rechtlich ohne Weiteres zulässig.
Herr Kollege Dressel, wenn wir aus einem älteren Kommentar zitiert haben, so zeigt dies nur, dass unsere Meinung schon seit langem vertreten wird, nicht etwa nur im konkreten Fall.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der SPD)
Somit halte ich fest: Es ist rechtlich zulässig, die Ermächtigung zur Strafverfolgung auf die eigentlichen Täter zu beschränken und die Journalisten davon auszunehmen. Dies wäre ein gutes Signal des Bundestags; es würde zeigen, dass wir uns des Werts der Pressefreiheit bewusst sind, wenn wir die Dinge wieder ins Lot bringen, die sich – vielleicht unbeabsichtigt – in eine falsche Richtung entwickelt haben.
Allerdings hat Kollege Dressel zugleich Recht: Das Problem sitzt tiefer.
(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Danke!)
Es muss auch das Strafgesetzbuch in dem Sinne geändert werden, dass eine Klarstellung erfolgt, dass journalistische Tätigkeit keine Beihilfe zum Geheimnisverrat darstellt und damit nicht strafbar ist.
(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Dann haben Sie mich falsch verstanden!)
Der FDP-Entwurf eines Gesetzes zur Pressefreiheit liegt auf dem Tisch. Ich bitte Sie, zum einen das Einzelproblem zu lösen, indem Sie unserem Antrag zustimmen, zum anderen aber auch das grundsätzliche Problem anzugehen – dazu ist eine Klarstellung im Strafgesetzbuch notwendig –, indem Sie schlicht und einfach unserem Gesetzentwurf zustimmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten unserem Gesetz vorher auch schon zustimmen können!)


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