Dr. Max Stadler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den haushalts- und sonstigen innenpolitischen Debatten haben wir immer wieder die FDP-Kernthese zur inneren Sicherheit vorgetragen. Wir meinen, verantwortungsvolle Politik für innere Sicherheit bedeutet: Man muss Defizite beim Vollzug der bestehenden Gesetze beseitigen, aber nicht ständig unnötige Gesetzesverschärfungen beschließen. Leider machen Sie oft das Gegenteil.
(Beifall bei der FDP)
Ich darf dies anhand von einigen Beispielen belegen.
Aus aktuellem Anlass kennen wir die Anzahl der Polizeiplanstellen in vielen Bundesländern, speziell in Bayern, weil sie zurzeit in der Diskussion stehen. Die Gewerkschaften haben errechnet, dass bei den Polizeidienststellen in Bayern 1 100 Stellen abgebaut wurden. Im ganzen Bundesgebiet sind es seit dem 11. September 2001 erstaunlicherweise 10 000 Planstellen. Dieser Vorwurf trifft nicht Sie, Herr Bundesinnenminister. Es ist aber bemerkenswert, dass dadurch beispielsweise in Bayern viele Polizeidienststellen nur noch zu 75 Prozent einsatzfähig sind.
(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Das ist eine Sauerei!)
Das wird nicht etwa nur von der Polizeigewerkschaft vorgetragen, sondern auch vom Arbeitskreis Polizei der CSU. Dazu sage ich: Herr Beckstein sitzt im Glashaus und sollte nicht mit Steinen auf die FDP werfen, wenn es um die innere Sicherheit geht.
(Beifall bei der FDP)
Das ist ein Beispiel dafür, dass man mit zu wenig Personal Vollzugsdefizite nicht in den Griff bekommen kann.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie wollen koalieren?)
Sie liefern aber hier im Bundestag gerade ein Beispiel für den zweiten Ansatz, was man gerade nicht machen sollte – den habe ich Ihnen genannt –, nämlich überflüssige Gesetzesverschärfungen. Dazu hat gestern die Anhörung zum Entwurf des Bundeskriminalamtsgesetzes Folgendes erbracht: Dieses Gesetz ist nicht erforderlich, handwerklich schlecht gemacht und in vielen Bestimmungen grundgesetzwidrig.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Günter Baumann [CDU/CSU]: Wer hat das gesagt?)
Wenn Sie die Darlegungen von namhaften Verfassungsrechtlern von gestern ernst nehmen, dann dürfen Sie als Große Koalition diesen missglückten Gesetzentwurf keinesfalls im Oktober im Eiltempo hier durch das Parlament bringen. Gisela Piltz hat zu Recht gesagt: Dieser Entwurf für ein verfassungswidriges BKA-Gesetz muss zurückgezogen werden. Dann muss sorgfältig neu beraten werden.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE] – Günter Baumann [CDU/ CSU]: Das ist ein guter Entwurf!)
Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben einmal den Mut und das Rückgrat, dass Sie diese unsere Forderung erfüllen, wenn Sie schon den Anspruch erheben, mitzuregieren, Herr Edathy.
(Sebastian Edathy [SPD]: Wir wollen den vorliegenden Entwurf überarbeiten, Herr Kollege!)
Manchmal gibt es sowohl Vollzugsdefizite als auch ein Gesetzgebungsdefizit. Das ist beim Datenschutz eindeutig der Fall. Ein Vollzugsdefizit besteht, weil diejenigen, die über unsere Daten zu wachen haben, personell total unterbesetzt sind. Das gilt für den Bundesdatenschutzbeauftragten. In Bayern sind es ganze sechs Personen, die den Datenschutz für einen so großen Flächenstaat gewährleisten sollen.
(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Das betrifft nicht den Bundesdatenschutzbeauftragten!)
Das ist völlig unzureichend.
Wir brauchen über eine bessere Personalausstattung hinaus natürlich ein neues Datenschutzgesetz. Denn das jetzige stammt sozusagen aus der Postkutschenzeit. Wir brauchen eine Bewusstseinsänderung. Es muss wieder klar sein, dass der Schutz unserer Privatsphäre ein vordringliches Anliegen einer vernünftigen Innenpolitik ist. Ich kann Ihnen folgenden Hinweis nicht ersparen. Wie oft haben wir im Innenausschuss erlebt, wenn wir verlangt haben, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte zu Gesetzesvorhaben von Ihnen sachverständig gehört wird, dass Sie gesagt haben: „Das ist überflüssig, das ist Zeitverschwendung, und auf den hören wir sowieso nicht.“?
(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist nicht wahr!)
Die christliche Nächstenliebe verbietet es mir, mitzuteilen, wer vor allem diese Auffassung im Innenausschuss vertreten hat. Da müssen Sie Ihr Bewusstsein ändern, so wie sich in der Bevölkerung das Bewusstsein mehr in Richtung einer größeren Bedeutung des Datenschutzes entwickelt.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich komme zu dem Fazit: Da, wo Ihr Regierungshandeln gefragt wäre, beispielsweise beim Datenschutz, haben Sie jahrelang nichts gemacht. Das Gutachten aus dem Bundesinnenministerium hierzu aus dem Jahre 2002 blieb völlig ohne Konsequenzen. Also, da, wo Sie gefragt gewesen wären, haben Sie nichts gemacht. Da, wo Sie handeln, gehen Sie in die falsche Richtung und machen immer mehr Einschnitte in die Grundrechte und Bürgerrechte. Eine solche Politik tragen wir als FDP selbstverständlich nicht mit.
(Beifall bei der FDP)