Dr. Max Stadler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freien Demokraten unterstützen diejenigen Maßnahmen, die wirklich gegen Kinderpornografie helfen.
(Beifall bei der FDP)
Das Gesetz der Großen Koalition erfüllt diesen Zweck nicht. Deswegen lehnen wir es ab.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit dem Gesetz, das CDU/CSU und SPD heute vorlegen, wird die Kinderpornografie um kein Jota zurückgedrängt.
(Martin Dörmann [SPD]: Das ist eine Behauptung!)
Die von Ihnen vorgesehenen Zugangssperren im Internet sind in Sekundenschnelle zu umgehen und deswegen kein taugliches Mittel. Es führt kein Weg daran vorbei, sich der weitaus mühsameren Aufgabe zu unterziehen, die Täter zu verfolgen und zu bestrafen
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und Seiten mit kinderpornografischen Inhalten zu löschen, statt nur den Zugang zu erschweren.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch kein Widerspruch!)
Diese wirklich wirksamen Maßnahmen sind auch realisierbar. Dazu muss man sich allerdings, weil sich die meisten Anbieter im Ausland befinden, die Mühe machen, eine wirkungsvolle internationale Zusammenarbeit mit den betreffenden Staaten zu organisieren oder zu intensivieren. Kinderpornografie ist ein abscheuliches Verbrechen. Dagegen muss man aber wirklich wirksame Maßnahmen ergreifen. Sie begnügen sich hier mit Scheinaktivitäten.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die von Ihnen vorgeschlagenen Zugangssperren sind aber nicht nur nutzlos, sondern sie berühren auch sensible Fragen des Rechtsstaats. Deswegen möchte man meinen, dass gerade ein solches Gesetzgebungsvorhaben in einer Form durchgeführt wird, die über jeden Zweifel erhaben ist. Das Gegenteil ist leider der Fall. Frau Kollegin Krogmann hat ihren Beitrag damit begonnen, dass sie behauptet hat, es würde jetzt gleich das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen beschlossen.
(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Das Gesetz heißt auch so!)
Richtig ist: Ein solches Gesetz war hier in erster Lesung beraten worden. Sie aber haben das geändert. Wir beraten heute über ein gänzlich neues, anderes Gesetz, das auch einen anderen Namen hat. Es heißt Zugangserschwerungsgesetz. Das wird heute erstmals hier im Plenum beraten, obwohl der normale Ablauf wäre, dass es eine Plenardebatte gibt, dann Ausschussberatungen und dann die zweite und dritte Lesung.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Man kann doch im Gesetzgebungsverfahren den Namen des Gesetzes ändern!)
– Nein, Sie haben das ursprüngliche Gesetz, das noch auf der Tagesordnung steht – die ist insofern irreführend –, ersetzt und ein neues eingebracht, ohne den normalen Ablauf einzuhalten. Ich sage Ihnen Folgendes, lieber Herr Kollege Schröder: Wir Juristen wissen, dass das Bundesverfassungsgericht seit der Elfes-Entscheidung – 6. Band, Seite 32 – auch das formelle Zustandekommen eines Gesetzes auf Verfassungsbeschwerde hin prüft. Dass hier Verfassungsbeschwerden eingelegt werden, liegt auf der Hand. Dann wird Ihr Verfahren in Karlsruhe überprüft werden. Das sage ich Ihnen jetzt schon voraus.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Können Sie gerne machen!)
Es kommt aber noch schlimmer: Sie als Bund haben gar keine Gesetzgebungskompetenz.
(Zuruf von der FDP: So ist es!)
Wir beraten hier eine Materie, die eindeutig zum Polizeirecht gehört.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Polizeirecht ist Ländersache. Man kann nicht deswegen, weil es um das hehre Ziel geht, Kinderpornografie zu bekämpfen, einfach die grundgesetzlichen Kompetenzregelungen übergehen. Auch dieses wird mit Sicherheit vom Verfassungsgericht überprüft werden. Sie haben in der Tat in dem neuen Gesetz, das wir heute eigentlich in erster Lesung beraten – Sie nennen das fälschlich zweite und dritte Lesung –, tatsächlich einige Kritikpunkte von uns aus der Lesung zu dem damaligen Gesetz aufgegriffen. Beispielsweise haben Sie jetzt vorgesehen, dass die Daten nicht mehr für Strafverfolgungszwecke verwendet werden.
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das haben wir von vornherein gefordert!)
Das ist ein Fortschritt, damit nicht der, der zufällig in so eine Sperre gerät, der Strafverfolgung ausgesetzt wird. Nur ist Ihnen die Formulierung missglückt. Es wird nämlich keineswegs verboten, dass die Daten übermittelt werden, es wird keineswegs verboten, dass sie für andere Zwecke gespeichert werden. Kollege Wiefelspütz von der SPD hat gestern im Innenausschuss zu Recht gesagt: Wer sich nichts hat zuschulden kommen lassen, dessen Daten gehören überhaupt nicht gespeichert. – Aber leider stimmen Sie von der SPD anders ab, als Sie sich kritisch dazu verhalten.
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)
Ich nenne noch einen Punkt, weil Frau Krogmann darauf großen Wert gelegt hat. Wir haben kritisiert, dass eine Polizeibehörde Sperren für Inhalte im Internet vorsehen soll, nämlich das Bundeskriminalamt. Das ist wirklich systemfremd, weil es eigentlich eine richterliche Aufgabe wäre. Nun haben Sie die Kritik zum Teil aufgegriffen, indem ein Expertengremium noch einmal darüber schaut, allerdings nur stichprobenartig. Ist das wirklich eine rechtsstaatliche Kontrollfunktion, wenn nur Stichproben – wie im Gesetz steht, mindestens einmal im Quartal – durchgeführt werden?
(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Jederzeit, steht im Gesetz!)
Aber Sie haben dabei einen entscheidenden Fehler begangen; ich will ihn Ihnen nennen: Dieses Expertengremium richten Sie beim Bundesdatenschutzbeauftragten ein, aber dort gehört es nicht hin.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Damit wird der Bundesdatenschutzbeauftragte Beteiligter einer polizeilichen Maßnahme. Das ist völlig aufgabenfremd für ihn, und deswegen hat Herr Schaar sich zu Recht dagegen gewehrt.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Meine Damen und Herren, die größte Sorge, die auch in der Community geäußert wird – Sie haben gesagt, dass Sie dafür Verständnis haben –, lautet: Dies ist ein Einstieg in die Internetzensur. Sie versichern zwar, es sei nur dieser Bereich, in den Sie auf diese Weise eingreifen wollen, und es sei nicht daran gedacht, dies auf weitere Bereiche auszudehnen. Genau das hören wir bei jedem Ihrer Eingriffsgesetze, und bei jedem dieser Ihrer Gesetze kommt ein halbes Jahr oder ein Jahr später die Debatte über die Ausweitung. Das war so bei der Verwendung der Mautdaten, das war so bei den heimlichen Onlinedurchsuchungen. Immer finden sich dann jemand und ein Anlass, dass dies ausgeweitet werden muss. Ich sage Ihnen: Sie haben heute die gute Absicht, es dabei zu belassen, aber die Ausweitungsforderungen kommen so sicher wie das Amen in der Kirche.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Zuruf von der FDP: Die sind doch schon da!)
Wenn Sie vielleicht sagen, dies seien Kassandrarufe der Liberalen, dann darf ich Sie darauf hinweisen: Kassandra hat bedauerlicherweise recht behalten.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Stadler!
Dr. Max Stadler (FDP):
Deshalb komme ich zu folgendem Schlusssatz, Frau Präsidentin: Das einzig Gute, was man über Ihr Gesetz sagen kann, ist, dass es offensichtlich gut gemeint sein könnte; aber das Zugangserschwerungsgesetz erreicht seinen Zweck nicht und enthält Risiken und Nebenwirkungen, vor denen man nur dringend warnen kann.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD])