Dr. Max Stadler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verbesserung der Kontrolle der Geheimdienste war und ist überfällig.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Wenn man den Nachrichtendiensten mehr Befugnisse gibt – das ist in den letzten Jahren wiederholt geschehen –, dann muss logischerweise auch die Kontrolle über die Nachrichtendienste verbessert werden. Wir brauchen die Dienste, aber sie dürfen in einem demokratischen Rechtsstaat kein Eigenleben entwickeln, sondern haben sich strikt an Recht und Gesetz zu halten. Dafür tragen wir eine Mitverantwortung. Deshalb müssen die Rechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums verbessert werden.
(Beifall des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die FDP hat aus diesem Grund schon im Jahr 2006 als erste Fraktion einen Reformentwurf eingebracht. Es hat lange gedauert, bis sich die Koalition zu einem eigenen Gesetzentwurf durchgerungen hat. Wir sehen es als Erfolg unserer Oppositionsarbeit an, dass wir zu dem heute vorliegenden Reformentwurf gekommen sind, den die FDP in dieser Form mittragen kann. Denn ein entscheidender Mangel, der im Ursprungsvorschlag von CDU/CSU und SPD enthalten war, ist aufgrund unserer Intervention herausgenommen worden. Zunächst wollte sich die Mehrheit das Recht vorbehalten, Mitglieder aus dem Kontrollgremium abzuwählen. Das ist natürlich unzumutbar und findet sich in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zu Recht nicht wieder.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, dass es zu diesem Gesetzentwurf gekommen ist, ist ein Verdienst derer, die sich darum besonders bemüht haben: des Kollegen Uhl, des Kollegen Röttgen und des Kollegen Oppermann. Es sind nicht nur die Vorstellungen, die die FDP in ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf formuliert hat, eingeflossen, sondern auch die Diskussionsbeiträge beispielsweise des Kollegen Ströbele und des Kollegen Nešković. Wir haben die Notwendigkeit dieser Reform bei vielen Veranstaltungen und in Podiumsdiskussionen, zum Beispiel in der Hanns-Seidel-Stiftung, erörtert. Experten wie Professor Geiger haben uns beraten. Die Ergebnisse all dieser Diskussionen sind in das Reformwerk eingeflossen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Es ist auch sehr viel vorbeigeflossen,
Herr Kollege! – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Es ist nicht alles berücksichtigt worden! Ein bisschen weniger!)
– Einige wesentliche Punkte wurden aufgenommen. Ich nenne folgende Beispiele: Die Kontrolldichte wird größer. Leider ist die ungünstige Entwicklung zu beobachten, dass die Vermischung von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Tätigkeit immer weiter voranschreitet. Im Innenausschuss wurde darauf hingewiesen, dass, was die Kontrolle angeht, Vorgänge, die das Bundeskriminalamt, also eine Polizei, betreffen, dort gar nicht mehr zur Debatte gestellt würden, weil das Kontrollgremium zuständig sei, wenn das BKA mit dem BND zusammenarbeitet,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das wird immer schlimmer!)
im Kontrollgremium gab es bisher aber keine Zuständigkeit. Das soll jetzt geändert werden. Wir wollen also die Kontrolldichte erhöhen. An der Formulierung müssen wir vielleicht noch arbeiten,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Mit Sicherheit! Nicht nur vielleicht!)
damit diese unsere Absicht auch korrekt zum Ausdruck kommt. Ich will ganz deutlich sagen: Die Rechte der – in Anführungszeichen – normalen Bundestagsausschüsse, zum Beispiel des Innenausschusses und des Rechtsausschusses, dürfen auf keinen Fall geschmälert werden,
meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Wolfgang Nešković [DIE LINKE] und Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man das will, dann muss man das auch so aufschreiben, Herr Kollege!)
Als zweiten Fortschritt nenne ich die sogenannte Whistleblower-Regelung. Die Mitarbeiter der Nachrichtendienste wissen selbst am besten über dortige Missstände Bescheid. Bisher war es ihnen verboten, sich direkt an das Parlament zu wenden. Das wird geändert. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass wir über die rechtswidrige Observierung, das Mitlesen und Speichern der E-Mails einer Journalistin des Spiegels, nämlich der Journalistin Susanne Koelbl, nur direkt aus dem Dienst informiert werden konnten.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man hätte sich aber auch an einen einzelnen Bundestagsabgeordneten wenden können!)
Die Bundesregierung hätte uns darüber im Unklaren gelassen. Deswegen brauchen wir die Whistleblower-Regelung. Sie wird unsere Kontrollfähigkeiten verbessern.
Ich komme zu einem dritten Punkt, der ebenfalls einen echten Fortschritt darstellt. Wie Sie wissen, tagt das Gremium geheim. Es ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, damit es ausnahmsweise öffentlich Stellung nimmt. Es muss gesetzlich abgesichert sein, dass die Opposition in diesem Fall ein Sondervotum abgeben darf. Ob das Recht auf ein Sondervotum gewährt wird, darf natürlich nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Mehrheit für sich beansprucht, sich die Sondervoten
vorher zur Prüfung vorlegen zu lassen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht da aber drin, Herr Kollege! Dem haben Sie zugestimmt!)
Das steht nicht im Gesetzestext,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber in der Begründung!)
wohl aber in der Begründung.
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Begründung können Sie aber nicht
mehr ändern!)
Das Struck’sche Gesetz, welches besagt, dass ein Gesetzentwurf, der eingebracht wurde, im Rahmen der Ausschussberatungen noch geändert werden darf, hat also auch in diesem Fall Geltung.
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch einmal: Die Begründung können Sie nicht mehr ändern!)
– Nein. Wir werden aber zum Ausdruck bringen, dass diese Begründung für uns nicht maßgeblich ist. Sonst hätten wir, die FDP, diesen Gesetzentwurf gar nicht erst mit eingebracht.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben doch zugestimmt!)
Meine Damen und Herren, es gibt noch weitere Punkte, die von Bedeutung sind. Ich komme gerne auf das, was Herr Röttgen gesagt hat, zurück. Dieses Reformwerk wird ein Werk des Parlaments sein. Es handelt sich nicht um eine Regierungsvorlage. Die Zusage von CDU/CSU und SPD, dass auch die Vorschläge der Grünen und der Linken – auch wir, die FDP, haben übrigens noch Änderungswünsche – in den Ausschüssen ergebnisoffen beraten werden, nehme ich ernst. Ein Beispiel. Es muss sichergestellt werden, dass man, wenn ernste Missstände zu beklagen sind, nicht nur allein und im stillen Kämmerlein beklagen kann, wie ungerecht und schlimm die Welt ist,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
sondern dass man wenigstens die Spitze der eigenen Fraktion informieren darf, damit Konsequenzen gezogen werden können.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das steht da aber auch drin!)
Das ist ein Punkt, der aus Sicht der FDP noch ergänzt werden muss.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie das wirklich wollen, dann müssen Sie wohl oder übel unserem Antrag zustimmen!)
Meine Damen und Herren, nach langen Debatten befinden wir uns nun endlich in dem Stadium, dass ein beratungsfähiger Gesetzentwurf vorliegt. Wir freuen uns, ihn mit eingebracht zu haben. Wir wollen, dass diese Reform vorankommt und noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden kann.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Von wegen!)
Wir wollen allerdings noch einige Ergänzungen. Ich bin mir sicher, am Ende des Beratungsprozesses wird ein vernünftiges Reformwerk stehen, das von einer breiten Mehrheit dieses Hauses mitgetragen werden kann.
Vielen Dank.