Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 11.04.2008

Aktuelle Stunde - Tätigkeit deutscher Sicherheitskräfte im Libyen

Dr. Max Stadler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP tritt seit langem für eine wirksamere
Kontrolle der Nachrichtendienste ein. Wir haben dazu längst einen Gesetzentwurf eingebracht. Jetzt – das ist das erfreuliche Ereignis dieser Woche – beginnt die Koalition, unserer Initiative zuzustimmen; sie hat sie aufgegriffen. Wir werden hier einen Schritt vorankommen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber wir stehen auch nicht an, nach der Sitzung des Kontrollgremiums am Mittwoch ganz offen zu sagen: In der Libyen-Affäre geht es gar nicht um eine Affäre des Bundesnachrichtendienstes, sondern um erhebliche Versäumnisse der Bundesregierung.
(Beifall bei der FDP)
Die Debatte über die Rolle des Bundesnachrichtendienstes hätte beinahe den Blick auf die Unterlassungen der Bundesregierung verstellt. Deswegen ist es notwendig, heute in der Aktuellen Stunde darauf noch einmal zurückzukommen. Da passt sehr gut, dass der Tagesspiegel heute unter der Überschrift „Brutal, korrupt, chaotisch“ eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik über die derzeitige politische Lage in Libyen zitiert. Nach dieser Studie sei Europa in der Sicherheitspolitik gut beraten, „eine gewisse Distanz zu Libyen zu wahren“. Die Studie mahnt Vorsicht bei der „Kooperation mit libyschen Sicherheitsapparaten im Kampf gegen den Terrorismus“ an. Gerade Oppositionelle würden in Libyen weiterhin als Terroristen gebrandmarkt. Das ist der aktuelle Hintergrund. Es liegt doch auf der Hand, dass dann, wenn Deutsche, und sei es eine private deutsche Sicherheitsfirma, an der Ausbildung von Polizisten, womöglich von Geheimpolizisten, in einem solchen Staat beteiligt sind, ein solcher Sachverhalt geeignet ist, unser Ansehen in der Welt zu schädigen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn dem so ist, dann darf eine Bundesregierung nicht einfach abtauchen und die Dinge laufen lassen. Nicht ohne Grund hat doch Wolfgang Bosbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, gesagt – ich zitiere ihn wörtlich –: Allein bei Erwähnung des Namens Libyen müssen beim BND alle roten Lampen angehen. Ich füge hinzu: nicht nur beim BND, sondern auch beim Bundesinnenministerium, beim Auswärtigen Amt und bei der gesamten Bundesregierung.
(Beifall bei der FDP)
Was haben wir stattdessen in den letzten Tagen erlebt? Diese Bundesregierung erweckt in der Öffentlichkeit den Eindruck, als hätte sie von den Vorgängen in Libyen überhaupt nichts gewusst. Dieses Wegducken ist nicht weiter zulässig. Denn es ist nachweislich falsch, dass die Bundesregierung hier unwissend gewesen wäre. Leider kommt die Wahrheit nur scheibchenweise ans Tageslicht. Das Bundesinnenministerium hat selber vorgetragen, im November 2007 informiert worden zu sein, und zwar von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Das Bundesverteidigungsministerium hat vorgetragen, im Jahr 2006 informiert gewesen zu sein. Wir wissen, dass das Auswärtige Amt weitaus früher informiert war; im Dezember 2005 hat das Auswärtige Amt ja zu einer Munitionslieferung nach Libyen Stellung genommen und richtigerweise seine Meinung kundgetan, diese sei zu untersagen. Dann kann man aber doch allenfalls sagen, man habe vielleicht über Details nicht Bescheid gewusst. Auf jeden Fall wusste man: Eine deutsche Sicherheitsfirma ist in einem hochsensiblen Bereich in einem hochproblematischen Land tätig. Deswegen ist die FDP der Meinung, dass die Bundesregierung mindestens einen Rechtsverstoß und drei Verstöße gegen ihre politischen Obliegenheiten begangen hat.
(Beifall bei der FDP)
Den Rechtsverstoß hat die Bundesregierung begangen, indem sie dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht darüber berichtet hat. Außerdem hat sie drei politische Unterlassungen begangen: Erstens. Sie hat nicht die Landesregierungen der betroffenen Bundesländer informiert, die ja beamtenrechtlich hätten einschreiten können. Zweitens. Die Bundesregierung hat nicht den Bundestag über den Sachverhalt in Libyen informiert, wodurch sie eine Debatte darüber hätte herbeiführen können, ob man aus außenpolitischen Gründen sozusagen einen Wandel durch Annäherung anstreben sollte oder ob es die richtige Politik wäre, die Distanz zu Libyen gerade in diesem sensiblen Sicherheitsbereich als Letztes aufzugeben und den Wandel vielleicht erst in anderen Bereichen zu fördern.
(Beifall bei der FDP)
Drittens. Die Bundesregierung sagt, sie habe keine rechtliche Handhabe gehabt, einzuschreiten. Dann hätte sie aber dem Bundestag diesen Sachverhalt „Libyen“ vortragen und eine Debatte etwa über eine Ausweitung des Außenwirtschaftsgesetzes herbeiführen können, vielleicht mit Anzeigepflichten beim Export von problematischen Dienstleistungen in problematische Länder. Meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat 2004 einen sehr schönen Antrag zu diesem Thema gestellt. Warum nehmen Sie diesen Antrag jetzt, wo Sie in der Regierung sind, nicht zum Maßstab Ihres Handelns?
(Beifall bei der FDP)
Es bleibt dabei: Die Affäre Libyen reicht weit über den Bundesnachrichtendienst hinaus.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Stadler, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit?
Dr. Max Stadler (FDP):
Die Affäre ist ein Beleg für Defizite der Bundesregierung im Umgang mit problematischen Staaten und für
Unterlassungen im Umgang mit diesem Parlament. Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)


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