Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 05.05.2010

Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Ratens vom 24. Februrar 2005 über die Verwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Europäischen Rates vom 24. Februar 2005 zur EU-weiten Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen vorgelegt. Dieser Rahmenbeschluss ist nach den Rahmenbeschlüssen über den Europäischen Haftbefehl, die Sicherstellung von Beweismitteln und die Anerkennung von Einziehungsentscheidungen das vierte auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhende europäische Rechtsinstrument, dessen Umsetzung in innerstaatliches Recht nun ansteht.


Der Rahmenbeschluss zur Vollstreckung von Geldsanktionen stellt einen wichtigen Baustein für die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen dar.

Er legt die grundsätzliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten fest, eine in einem anderen Mitgliedstaat rechtskräftig verhängte Geldstrafe oder Geldbuße anzuerkennen und zu vollstrecken, ohne die materielle Richtigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung nochmals zu prüfen. Dies ist der Grundgedanke des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung justizieller Entscheidungen. Weiterhin enthält der Rahmenbeschluss eine Liste von Delikten, bei deren Vorliegen das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit vom Vollstreckungsstaat nicht mehr zu überprüfen ist.

Aktuell sind bereits in 18 EU-Mitgliedstaaten entsprechende Umsetzungsgesetze in Kraft. Dazu gehören alle unsere Nachbarstaaten, ausgenommen Belgien.

Aus Sicht der Bundesregierung hat der europäische Gesetzgeber mit diesem Rahmenbeschluss ein sehr wichtiges Instrument geschaffen, um in einem Europa ohne Grenzen gleichsam rechtsfreie Räume zu verhindern. Denn bislang ist es so, dass wir zwar über vielfältige Instrumente der strafrechtlichen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus verfügen. Aber was fehlte, war die Möglichkeit, bei kleineren Delikten und Vergehen, die nur mit einer Geldsanktion zu ahnden sind, dem innerstaatlichen Recht effektiv zur Durchsetzung zu verhelfen, wenn der Täter seinen Wohnsitz nicht in Deutschland hat.

Gerade für Deutschland ist dies besonders wichtig. Schließlich leben wir in einem Staat, der in der Mitte Europas liegt und durch den täglich Hunderttausende Menschen reisen, die meisten aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Künftig werden sowohl Geldbußen für Verkehrsverstöße als auch Geldstrafen für strafrechtliche Delikte tatsächlich vollstreckt werden. Das bringt uns einem europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ein gutes Stück näher.

Allerdings muss das Prinzip der Gegenseitigkeit eingehalten werden. Aber ? und das ist wichtig ?: Die Anerkennung ausländischer Sanktionen darf nicht um jeden Preis erfolgen. Es besteht auch ein Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Unser Augenmerk lag deshalb von Anfang an darauf, sicherzustellen, dass bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses die Rechte unserer Bürgerinnen und Bürger gewahrt bleiben. Das heißt konkret: Wir dürfen uns nicht an der Vollstreckung von ausländischen Geldbußen und Geldstrafen beteiligen, die unter Missachtung elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze zustande gekommen sind.

Selbstverständlich haben wir großes Vertrauen in die Rechtssysteme unserer europäischen Partner. Wir gehen deshalb davon aus, dass in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle die Grundrechte der Betroffenen gewahrt werden. Gleichwohl haben wir in Deutschland ? in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Rahmenbeschlusses ? dafür gesorgt, dass in den Fällen, in denen dieses Vertrauen einmal nicht gerechtfertigt ist, eine Vollstreckung durch deutsche Behörden nicht in Betracht kommt.

Hier gibt es im Wesentlichen zwei Schwerpunkte:

Erstens. Die Betroffenen dürfen darauf vertrauen, sich gegen eine zu Unrecht ergangene ausländische Sanktion zur Wehr setzen zu können. Dieses Vertrauen müssen wir schützen. Dazu gehört die Gewährung rechtlichen Gehörs ebenso wie die Möglichkeit, sich gegen eine ausländische Geldsanktion verteidigen zu können.

Zweitens. Elementare Grundsätze des Schuldprinzips dürfen nicht infrage gestellt werden.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf wird diesen Anforderungen vollständig gerecht. Wir sind überzeugt, damit eine stabile Balance zwischen der Notwendigkeit einer erleichterten Strafverfolgung innerhalb eines Europas der offenen Grenzen einerseits und dem angemessenen Schutz vor rechtsstaatlich fraglicher Verfolgung unserer Bürger andererseits gefunden zu haben.

 


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